Die gefährliche Hexenmission

Autor*in
Thilo,
ISBN
978-3-7855-7523-9
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Kunert, Almud
Seitenanzahl
127
Verlag
Loewe
Gattung
Ort
Bindlach
Jahr
2014
Lesealter
8-9 Jahre10-11 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
4,95 €
Bewertung
eingeschränkt empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Einar erhält von Odin, dem alten germanischen Gott, einen Auftrag für ein neues Abenteuer: Er soll für ihn ein Rezept zur Behandlung von Rheuma beschaffen. Doch dazu muss er in das Jahr 1487 zurück reisen, als im deutschen Reich die Hexenverfolgung wütet. Voller Tatendrang macht sich Einar auf den Weg in die alte Domstadt Mainz, um die gefährliche Mission zu erfüllen.

Beurteilungstext

Die eigentliche Handlung des Romans, nämlich Einars Erlebnisse im spätmittelalterlichen Mainz, sind eingebettet in eine Rahmenhandlung: Zu Beginn und am Ende des Romans befinden wir uns mit Einar im gegenwärtigen Norwegen, wo der Elfjährige mit seinen Eltern an einem Fjord wohnt. Dies erlaubt einen aufgeklärten Blick auf die Geschehnisse in dem für Leser und Protagonisten gleichermaßen fremden Zeitalter der Binnenerzählung. Die mittelalterliche Lebenswelt und damit einhergehende Weltanschauungen können so im Rahmen des personalen Erzählstils mit Einars Reflexions- und Verstehensprozessen simultan erfasst werden.
Der zentrale Konflikt der Binnenerzählung, die Festnahme, die Inquisition und schließlich die Rettung einer der Hexerei bezichtigten Witwe, wird spannend und authentisch entwickelt. Der Anteil kirchlicher und weltlicher Figuren und Gedankenkonstrukten an der Hexenverfolgung wird differenziert und unter Verzicht auf Schwarzweißmalerei dargestellt.
Die Fiktion gewinnt überdies durch Einbettung realer Ereignisse wie der Erfindung des Buchdrucks, der Entdeckung Amerikas sowie durch Erwähnung bedeutender Zeitgenossen (z.B. des Inquisitors Jakob Sprenger) an historischer Authentizität. Auch findet der Autor vielfältige andere Möglichkeiten, gut recherchierte Mittelalterfakten unter das Leservolk zu bringen: Eine dem Roman vorangestellte Notiz klärt den Leser über die eigentümliche Schreibweise einiger im Roman verwendeter Begriffe auf, die der Ermangelung gültiger Rechtschreibnormen im Mittelalter geschuldet ist. In einem mehrseitigen Brief Einars an Odin, der der abgeschlossenen Rahmenhandlung angehängt ist, werden etliche weiterführende Informationen zum behandelten Thema bereitgestellt. Hier greift der Autor nonchalant eine im Roman nicht weiter verfolgte Nebenhandlung auf, in der erwähnt wird, dass Odin gerade an einer Mittelalterchronik arbeitet.

Die literarische Hochwertigkeit der Binnenerzählung, mit der hier das Thema 'Hexenverfolgung im Mittelalter' aufgearbeitet wird, wird getrübt durch einige inhaltliche Unstimmigkeiten in der Rahmenhandlung: Unklar bleibt, wie der norwegische Einar sich im mittelalterlichen Mainz auf Deutsch verständigen kann. Auch wirkt der Auftritt des germanischen Gottes Odin mitsamt seiner magischen Insel, die die Zeitreise erst ermöglicht, in Anbetracht der im Roman propagierten aufgeklärten Sicht auf den Glauben an Hexerei deplatziert. Zuletzt sei anzumerken, dass die eigentliche Mission, nämlich die Suche nach einem Rezept für eine Arznei gegen Rheuma, während Einars Aufenthalt im mittelalterlichen Mainz völlig in den Hintergrund tritt und erst in der Abschiedsszene mehr beiläufig wieder aufgegriffen wird. Insgesamt entsteht der Eindruck, dass der Intention, historisches Wissen zu vermitteln, ein höherer Stellenwert eingeräumt wurde, als der Umsetzung in einer fiktiven, in sich stimmigen Erzählung.
Ebenfalls muss darauf hingewiesen werden, dass die dargestellten historischen Fakten nicht einwandfrei sind. Zum Einen gehört Kurmainz im 15. Jahrhundert nicht zu den führenden Regionen der Hexenprozesse. Ein bedeutenderer Schauplatz wie Würzburg oder Bamberg wäre hier die bessere Wahl gewesen. Zum Anderen wehrte sich ausgerechnet der im Roman auftretende Erzbischof Berthold von Henneberg ausdrücklich gegen die Unterstützung der Inquisitoren, die vom Papst in der Bulle „Summis desiderantes affectibus“ - die ebenfalls im Roman thematisiert wird - gefordert wurde.
In Anbetracht dessen, dass „Die gefährliche Hexenmission“ durch Aufgreifen von Daten, Namen und Ereignissen historische Richtigkeit suggeriert und unter Bereitstellung passender Unterrichtsmaterialien die Verwendung für den Schulunterricht nahe legt, ist diese fehlerhafte Darstellung kaum akzeptabel.

Für junge Leser, die an spannenden Mittelalterromanen interessiert sind, mag dieser Roman einige literarische Genüsse bereithalten; als Lektüre für Schulklassen – womöglich in einem fächerübergreifenden Deutsch- und Sachunterricht – ist er nicht zu empfehlen.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von nv.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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