Die Gärten von Dorr

Autor*in
Biegel, Paul
ISBN
978-3-8251-7806-2
Übersetzer*in
Schädlich, Hans Joachim
Ori. Sprache
Niederländisch
Illustrator*in
Dematons, Charlotte
Seitenanzahl
214
Verlag
Urachhaus
Gattung
Ort
Stuttgart
Jahr
2014
Lesealter
10-11 Jahre12-13 Jahre14-15 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
16,90 €
Bewertung
empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Verlier-mich-nicht und Komm-zurück sind Prinzessin und Gärtnerjunge. Die Hexe Sirdis lässt sie nicht zusammen sein. Der König ist der Hexe verfallen. Der Narr weiß, dass er helfen muss. Das Herz des verzauberten Jungen steckt nun in einem Samenkorn. Das trägt das Mädchen als Kette mit sich, um es in den verzauberten Gärten als Blume an richtiger Stelle einzupflanzen und zum Leben zu erwecken. Dafür nimmt es 7 Jahre lang Gefahren und die Fahrt mit dem Zwerg über den toten Fluss auf sich.


Beurteilungstext

Zwei große Erzählstränge sind in der märchenhaften Erzählung miteinander verwoben: Die Vergangenheit der beiden Protagonisten als Prinzessin und als Gärtnerjunge auf dem Schloss mit der Vergangenheit der Stadt Dorr, die einstmals wunderbaren blühenden Gärten und einem reichen Leben alle Möglichkeit gab. In der Stadt ging es märchenhaft zu.
Der Text ist märchenhaft geschrieben und mit zarten ganzseitigen Aquarellen bebildert. In ihm stecken Andeutungen an literarische Vorbilder und den Erzählweisen von Volksmärchen. Er erscheint nur moderner, vor allem wegen der Rolle der Soldaten. Eingefügt in den Text sind merkwürdige Reime oder Liedverse, die sich in ihrem Inhalt und ihrer Funktion nicht ganz erschließen und aus einer anderen Zeit zu stammen scheinen. Sie fungieren als besonderes Stilmittel und sollen wohl auch zusätzliche Rätsel aufgeben. Obwohl schon in den einzelnen Kapiteln viele Rätsel und Verwirrendes geschieht.
Die Erzählung der beiden Kinder, die Liebende werden ist rührend und bilderreich. Wie im Märchen ist es die gute Welt, der die Welt der Bösen entgegensteht. Dieses Böse muss besiegt werden, auch mit Waffen und Soldaten, nicht nur mit List und Zauber. Das Böse hat im Schloss Eingang gefunden, weil der König in seiner Geliebten Sirdis nicht die Hexe erkennen kann und die Mutter nur machtlos zusieht. Das Spiel der beiden unschuldigen und sehr unterschiedlichen Kinder wird vom Narren beobachtet, dem ihr Wohl am Herzen liegt und der als Einziger erkennt, dass Sirdis eine Hexe ist. Nur, wer würde einem Narren glauben.
In der grauen Stadt Dorr, deren Stadttor von einem Soldaten bewacht wird, finden sich viele versteinerte Personen. Jegliches richtige Leben ist Angst gewichen. Es wird nicht mehr gelacht, nichts wächst, nur einige skurrile Personen berichten im Verlauf der Erzählung die Bruchstücke der Vergangenheit. Beide Handlungsteile werden aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt und werden von Begegnung zu Begegnung offengelegt.
Die Verbindung beider Teile ist der tote Fluss, der nur mit einem Kahn und dem buckligen Zwerg zu überwinden ist. Für die Überfahrt lässt er sich mit einem Kuss, bzw. mit einer Geschichte bezahlen. Das Mädchen mit den silbernen Schuhen macht sich zuerst mit ihrem Anhänger auf den langen Weg. Mehrere Jahre vergehen, mehrmals pflanzt sie den Samen aus, übernimmt Aufgaben und kann den neuen Samen der immer wieder ungewöhnlichen Pflanze retten und weitertragen. bis sie Eines Tages lässt sie sich von dem Zwerg übersetzen, um in die verlorene Stadt Dorr zu gelangen. Damit beginnt das Buch. Das schwarze Mal, das der Kuss des Zwerges zurücklässt, macht sie im weiteren Geschehen zum “Zwergliebchen”. Vor der Stadt trifft sie auf den Torwächter, den Soldaten Jiri, der ihr seine Geschichte erzählt. Er bildet den Einstieg in das weitere Geschehen und beendet es zum Ende der Erzählung, indem er als Soldat einen Krieg beendet. Er erzählt, dass er alle Feinde besiegt hat, egal, welche Farbe sie trugen und dass die schwarze Kutsche mit den silbernen Soldaten und der silbernen Königin ihm seinen treuen Genossen nahm und die ganze Stadt zum Absterben verzauberte.
Zwergliebchen beachtet die Warnungen des Soldaten nicht und passiert mit dem Mal im Gesicht die Stadt. Sie findet alle schlechten Warnungen bestätigt. Die Stadt zeigt keinerlei Leben mehr. Sie trifft als erstes auf Jojo eine überlebende Zwillingsschwester, die einmal gehofft hatte, einen wunderbaren Jüngling zu heiraten, als die Stadt noch Dorrodisia hieß. Nur hatte der Bräutigam die Schwestern nicht unterscheiden können und so wartet sie noch heute. Zeitversetzt trifft ein Spielmann am Fluss ein und lässt sich übersetzen. Er erzählt dem Soldaten einen weiteren Teil der Vergangenheit. Offenbar war er stets in der Nähe des Mädchens.
Auch er betritt die Stadt, um es hier zu finden. Er will Zwergliebchen weiter folgen und beistehen. Immer wieder ist sie vor ihm bei den merkwürdigen Einwohnern der Stadt. Nach Jojo findet auch er den blinden Zauberer Aljassus, der erblindete, als er sich als Einziger der silbernen Königin entgegenstellt und von ihr geblendet wurde. Er sieht seitdem aber mehr als die anderen, kennt aber auch nur einzelne Teile der ganzen Geschichte. Er weist sowohl Mädchen als auch Spielmann weiter. Sie begegnen nacheinander der närrischen Eipse, der Kröte Glop, einem Kind, das nicht einschlafen kann, wenn es alleine ist und Herrn Dil, dem Eigentümer eines Hotels, in das Soldaten nicht eintreten dürfen.
In seinem Hof pflegt und gießt Dil einen Garten, obwohl auf ihm schon lange nichts mehr wächst. Hier versteckt Zwergliebchen den Samen in der Erde vor der Kröte, die den Schatz an der Kette bemerkt hat. Glocken und viele Chronikbücher gewinnen an Bedeutung und die Suche nach einem Durchgang durch die Mauer, um zu den verwunschenen Gärten zu finden. Die Wege sind ebenso gefährlich wie die sieben Jahre zuvor. Das Mädchen muss die Nachrichten entschlüsseln und zusammenfügen. Vor allem muss die Kröte überlistet werden, die die entscheidende Chronik wieder in seinen Besitz bringt und versteckt. Diese Chronik 1001 enthält die Lösung. Der fremde Spielmann gibt sich als der Narr des Königs zu erkennen. Aljassus erkennt in den neuen Erkenntnissen, dass Sirdis die silberne Königin ist und sich auch Odisia nennt.
Nachdem der Samen eingesetzt wurde, verändert sich nach und nach die Stadt zurück. Sie gewinnt an Farbe und Leben. Auch die Töne des Spielmannes und die Stimmen klingen wieder. Es wird wieder gelacht. Der Geliebte von Jojo erwacht aus einer Blume zum Leben, so wie alle Blumen wieder wachsen. Ebenso erwachen aber auch die Soldaten wieder zum Leben. Es ist genau zur rechten Zeit, denn die Hexe Odisia hat sich mit der Kutsche Zugang zur Stadt verschafft und den Soldaten überrannt. Ihr Heer beginnt ein Gefecht mit den Soldaten der Stadt. Aljassus sucht als letztes Mittel eine silberne Kugel. Zwergliebchen wird klar, dass nur ihr silberner Schuh die silberne Hexen töten kann. So füllt der Soldat ihren Schuh mit Schwarzpulver, macht die alte Kanone bereit und erschießt nach dem Befehlshaber auch die Hexe. Sie altert und stirbt.
Der Krieg der beiden Heere hat viele Opfer gefordert. Die der Stadt Dorr werden beerdigt, die der silbernen Königin, die versteinert sind, werden aus Sicherheit in den toten Fluss geworfen.
Hier lässt sich gerade ein alter Mann übersetzen. Der Text ist wortgleich mit dem Beginn der Geschichte. Es ist der alte Vater, der seine Fehler erkannt hat. Der Zwerg zerstört seinen Kahn endgültig und will ab sofort bei der toten Hexe Wache halten. Sie hat man auch beerdigt, denn sie war die Gründerin der Stadt. In der Stadt wird gefeiert und die Lieder des Spielmannes gesungen. Das traurige Mädchen aber glaubt den Gärtnerjungen als tot. Doch der hat überlebt und sie geben sich neue Namen, die aber nicht verraten werden.
Die inneren Kapitel sind rührend zu lesen und empathisch geschrieben. Die Figuren zeigen wie im Märchen eindeutige Merkmale und Charaktere. Die Merkwürdigkeiten und Eigenheiten sind sympathisch dargestellt, weil sie Gefühle und Wünsche spiegeln, die auch die Leser verstehen können oder beschäftigen. Im verzauberten Zustand erzeugen sie beim Lesen Mitgefühl. Allein die Hexe und ihre Getreuen sind die eindeutig Bösen. Sie können, wie im Märchen auch, einer Bestrafung nicht entkommen und Gerechtigkeit wird wieder hergestellt.
Die Suche nach einem heilen und paradiesischen Ort, der besonderen Blume und einem fröhlichen Zusammenleben ist eine schöne Vorstellung. In diese Bilder lässt sich eintauchen. Ebenso hinterlässt eine Figur im Hintergrund, wie die des Narren bzw. des Spielmanns, ein beruhigendes Gefühl. Da ist ja jemand, der das Geschehen im Blick hat und zur rechten Zeit unbemerkt zu Hilfe eilen kann. Gleichzeitig treibt sie die Handlung geschickt voran. Innerhalb der Geschichten werden durch solche Eingriffe zusätzliche Spannungselemente aufgebaut, die es manchmal notwendig machen, zurück zu blättern, um die Fäden nicht zu verlieren und Zusammenhänge herzustellen zu können. Hier gibt es auf unterschiedlichen Ebenen viel zu entdecken. Die Illustrationen unterstützen und ergänzen diese Reise in eine märchenhafte Welt. Jedes einzelne Bild erzählt die Szenen noch einmal genauer und schöner.

Den Rahmen der Erzählung bildet die Geschichte des braven Soldaten, der auf Befehl gegen alle kämpft. Auch wenn er selbst unter einem Zauber steht, eignet sich das Kunstmärchen, um Rollen und Klischees zu reflektieren und ist weniger geeignet, es mit kleinen Kindern zu lesen. Die bedingungslose Treue des Soldaten hat hier einen gerade heute merkwürdig hohen Stellenwert, auch wenn berücksichtigt wird, dass der Text im Jahr 69 zuerst in den Niederlanden veröffentlicht wurde. Die Botschaft könnte von kleinen Kindern ernst genommen werden, denn sie ist untrennbar verbunden mit der Erlösung von dem Zauber und dem zweiten Strang der Geschichte um das Samenkorn der Blume und die überdauernde Liebe.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von stoni.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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