Die Ausreißer

Autor*in
Stark, Ulf
ISBN
978-3-8251-5221-5
Übersetzer*in
Kicherer, Birgitta
Ori. Sprache
Schwedisch
Illustrator*in
Crowther, Kitty
Seitenanzahl
123
Verlag
Urachhaus
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/Roman
Ort
Stuttgart
Jahr
2020
Lesealter
8-9 Jahre10-11 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
16,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

"Wie sollte ich herausfinden, ob es den Himmel gibt? Dafür war ich zu klein!" Klein-Gottfried hat eine sehr enge Beziehung zu seinem Gro0vater. Für diesen lügt er seine Eltern an, macht sich auf ein Ausreißerabenteuer mit ihm und versucht Antworten auf die verschiedenen Fragen des Großvaters zu finden. Gleichzeitig verabschiedet er sich von seinem Großvater, der immer schwächer wird und schließlich friedlich einschläft. Ein wunderbar illustriertes Kinderbuch, das Kindern hilft über das Sterben und den Tod zu sprechen.

Beurteilungstext

Dieser Großvater ist ein Albtraum: er kommandiert, flucht, nörgelt und ist griesgrämig. Sein Sohn schämt sich für ihn und will keine Besuche mehr im Krankenhaus bei ihm machen, der Enkel dafür aber umso mehr. Der Großvater will ein letztes Abenteuer mit ihm erleben und ausreißen aus dem Krankenhaus für einen Tag und eine Nacht zu dem Haus in dem Opa und Oma früher gelebt haben - und glücklich waren. Doch der Vater darf nichts davon wissen, ja Klein-Gottfried soll dafür sorgen, dass "Papa, zum Henker nicht mitkam".
Nun folgen Überlegungen des Jungen: Wo bekomme ich Hilfe her? Wie erfährt Papa und Mama nichts von dem Ausflug? Also denkt er sich ein Fußballtrainingslager mit Übernachtung aus, packt seine Sachen und holt den Großvater im Krankenhaus mit Hilfe eines jungen Mannes, den er um Hilfe bittet, ab. Und los geht die Reise per Auto/Schiff in die Vergangenheit des Großvaters. So einfach ist das aber nicht: "Ich mache mir Sorgen um Großvaters Herz. Dass es zu alt, zu groß und zu erschöpft war. Dass es nicht mehr viel verkraftete. Dass es jederzeit stehen bleiben könnte." (S.96) Doch alles geht gut aus und der Großvater fährt wieder zurück ins Krankenhaus mit einem Preiselbeerglas und dem Foto der Großmutter.
Klein-Gottfried hat Angst vor dem Verhörstuhl des Vaters und "wenn Papa böse wurde. Papa brüllte nicht so wie Großvater. Er stampfte nicht mit dem Fuß auf und hielt einem auch keine geballte Faust unter die Nase. Er versuchte ruhig zu klingen, war es aber nicht. An seiner Schläfe schwoll eine Ader an, das war alles. Und dann sah er einen an und machte in Gesicht wie - "dass ich jetzt so traurig bin, dafür hast du gesorgt." (S.78)
„Die Lügerei nahm kein Ende. Man dachte sich etwas Schlaues aus, musste dann aber sofort wieder lügen, damit die erste Lüge nicht aufflog. Und so ging es weiter, bis eine ganze Welt aus lauter Lügen entstanden war.“ (S.86) Und so ging es tatsächlich nicht weiter – Klein-Gottfried will nicht mehr lügen. „Ich wollte, dass Papa die Wahrheit hörte. Dann konnte er von mir aus sagen, was er wollte.“ Doch der Vater glaubt ihm die Wahrheit nicht. Beide gehen sie aber nun zusammen zu einem wie verwandelten Großvater ins Krankenhaus: er flucht nicht mehr, versucht liebenswürdig zu sein und lernt sich gepflegter auszudrücken: alles für die Begegnung mit der Großmutter im Himmel. Das Preiselbeermus im Glas wird immer weniger und der Großvater immer schwächer. Klein-Gottfried hält seine Hand „Ich sah ihn an und dachte an all das, was wir zusammen gemacht hatten. Großvater sah glücklich aus.“ (S.119)
Das schwierige Thema vom Abschied nehmen und Tod wird hier in diesem Kinderbuch berührend schön und doch auch traurig geschildert. Das konsequent aus der Kinderperspektive (Ich-Perspektive) gehaltende Buch befasst sich in 15 Kapiteln mit schwierigen Vater-Sohn-Beziehungen, dem Thema Lügen, Wahrheit und Freundschaften, Wortbedeutungen und Wortwirkungen und dem Abschiednehmen von dieser Welt. Dabei gibt es ganz wunderbare Metaphern für ein Weiterleben nach dem Tod wie z.B. das Preiselbeermusglas: „Deine Großmutter hat die Beeren gepflückt, sie verlesen, sie gekocht und genau die richtige Menge Zucker dazu gegeben, damit das Mus nicht zu sauer und nicht zu süß wird, sie hat alles umgerührt und dann in dieses Glas geleert. Sie hat ihm ihre Zeit geschenkt. Und ihre Gedanken. Darum steckt ein Teil von ihr darin.“
Die tiefgehenden Gefühlszustände werden in verständliche und nachvollziehbare Worte gefasst und durch viel wörtliche Rede unterstützt. Die ausdrucksstarken Buntstiftillustrationen von Kitt Crowther verdeutlichen den Veränderungsprozess des Großvaters in diesem Kinderbuch: der Großvater wird zu Beginn in kräftigen Rottönen mürrisch dargestellt, während er am Ende immer friedlicher und freundlicher wirkt.
Und gibt es einen Himmel für die Gestorbenen? „Ich sah die Wolken vorbeiziehen. Ich sah den Mond und die Sterne, die an den Perlzucker auf Adams Schnecken erinnerten. Es waren unendlich viele. Manche Sterne gab es nicht einmal mehr. Das hatte Papa erzählt. Die waren so weit weg, dass wir ihr Licht sehen konnten, obwohl sie schon längst erloschen waren. Als ich so in den Weltraum hinausstarrte, kam mir eine Idee: Wenn man etwas sehen kann, das es nicht gibt, muss es das, was man nicht sehen kann, doch auch geben.“ (S.112)
Ein sehr empfehlenswertes Kinderbuch!!

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Diese Rezension wurde verfasst von hel; Landesstelle: Hessen.
Veröffentlicht am 08.02.2022

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