Der Wolfspelz

Autor*in
Sharp, Sid
ISBN
978-3-314-10663-7
Übersetzer*in
Rak, Alexandra
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Sharp, Sid
Seitenanzahl
136
Verlag
Nord-Süd
Gattung
BilderbuchComic
Ort
Hamburg
Jahr
2023
Lesealter
6-7 Jahre8-9 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiFreizeitlektüreKlassenlektüreVorlesen
Preis
22,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Bellwidder Rückwelzer hat einen schönen Tag in seinem kleinen Häuschen, in dem er tanzt, gemütlich in der Badewanne liegt, Blumen frühstückt und insgesamt sehr zufrieden mit dem Leben alleine und in der Sicherheit des Häuschens ist – bis er Wolfsgeheult durchs Fenster hört und viel Angst bekommt, denn er ist ja ein Schaf. Ein Bilderbuch? Ein Comic? Auf jeden Fall wird in ausdrucksstarken Bildern mit wenig Text erzählt.

Beurteilungstext

Im Wechsel in doppelseitigen Illustrationen und in Panels wird erzählt, wie sich Bellwidders Tag entwickelt: Er gähnt genüsslich, er dehnt und reckt sich, er bewundert sich selbst vor dem Spiegel, er tanzt – und sieht immer entspannt und zufrieden aus. Doch dann, als er gerade gemütlich auf dem Boden liegt, hört er das „auuuh“ durchs Fenster und beginnt zu zittern. Rauszugehen und Brombeernachschub zu holen, erscheint unmöglich. Doch der Wille siegt, Bellwidder wagt sich in den Wald – aus dem er nach einer Wolfsbegegnung im Gebüsch voller Angst wieder in sein sicheres Häuschen flieht. Was nun? Da kommt ihm die rettende Idee: Er näht viel und sehr gut und näht sich nun ein Wolfskostüm. Darin wagt er sich wieder in den Wald, wo er prompt auf eine Gruppe anderer Wölfe trifft. Diese nehmen ihn sofort auf und laden ihn zum Mond anheulen in der Nacht ein.
Bellwidder geht hin, obwohl er immer noch Angst hat, doch leider zerreißt sein Kostüm. Als er auf den sicheren Tod wartet, outen sich all die anderen Wölfe – und zum Vorschein kommen ein Huhn, ein Ziegen- und ein Rehbock. Sie alle hatten sich zum Schutz vor Wölfen als Wölfe ausgegeben.
Auf den letzten Seiten stellt Bellwidder die Frage, ob es überhaupt Wölfe gibt im Wald. Keiner weiß es, aber „wenn es wirklich gruselige Sachen gibt, können wir ja jetzt aufeinander aufpassen, nicht wahr?“
Die Illustrationen sind in leuchtenden Farben gehalten und sehr kontrastreich. Durch eine gewisse Flächigkeit, fehlende Tiefe und Perspektive und eine scheinbare Steifheit in den Figuren wird eine Nähe zu Kinderbildern oder naiver Malerei hergestellt. Dabei sind diese Merkmale kunstvoll und ausdrucksstark eingesetzt, und diese scheinbare Naivität unterstützt den Eindruck von Bellwidder, ein freundliches Wesen ohne Hintergedanken und mit einfachen, legitimen Wünschen an das Leben zu sein. Viele kleine Details unterstützen die sich ändernde Stimmung und stellen die Emotionen und Phantasien Bellwidders dar: In dem friedlichen, sauberen Häuschen erscheinen plötzlich Spinnen und andere Krabbeltiere; der Vorhang des Fensters zum Wald ist mal zu-, mal aufgezogen; der Wald ist bunt oder düster.
Die Geschichte erzählt von einem, der denkt, er muss sich verstellen und stark und gefährlich wirken, damit er kein Opfer anderer wird, und der erkennt, dass andere sich auch verstellen, dass andere auch Angst haben, und dass man sich zusammenschließen kann, um sich gemeinsam zu schützen und sich so seine Fröhlichkeit und Lebenslust zu bewahren. Ob man Genderdiversität als zentral sieht oder aber alle Situationen, in denen Menschen sich nach außen hin eher aggressiv und/oder stark geben, um nicht zum Opfer zu werden, ist egal. Kinder werden hier andere Aspekte und Anknüpfungspunkte finden als Erwachsene. Auf jeden Fall ein wunderbares Buch zur Thematik. Es ist zu hoffen, dass der (bei der aufwändigen Ausstattung gerechtfertigte) hohe Preis nicht zu abschreckend ist!

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Gudrun Stenzel; Landesstelle: Hamburg.
Veröffentlicht am 06.02.2024