Der Winter des Eichhörnchens

Autor*in
Holzwarth, Werner
ISBN
978-3-8369-6169-1
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Zaeri, Mehrdad
Seitenanzahl
28
Verlag
Gerstenberg
Gattung
BilderbuchMärchen/Fabel/Sage
Ort
Hildesheim
Jahr
2022
Lesealter
4-5 Jahre6-7 Jahre8-9 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiFreizeitlektüreVorlesen
Preis
19,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Vergisst nicht jeder mal etwas? Schlimm ist das nur, wenn es sich z.B. um ein Eichhörnchen handelt, das die Verstecke für den Wintervorrat vergessen hat. Doch dann kommt eine unerwartete Wendung.

Beurteilungstext

Eichhörnchen hat schon als Baby gelernt, dass es ganz wichtig ist, einen Wintervorrat an Nüssen anzulegen. Es hat Nüsse im Wald versteckt und im Winter wieder gefunden. Doch nach ein paar Jahren lässt die Erinnerung nach und dann weiß es nicht mal mehr, was es versteckt hat. Das kann existentiell gefährlich werden. In dieser großen Not hört sie ein Gespräch zwischen einem kleinen Haselnussstrauch und einem großen Baum. Es stutzt! Überlegt! Und ist absolut erleichtert.
Werner Holzwarth hat einen kurzen aber sehr einfühlsamen Text formuliert. Es geht um die Vergesslichkeit im Alter. Das muss jetzt nicht gleich Demenz sein, sondern lediglich diese altersbedingte Vergesslichkeit.
Mehradad Zaeri ist ein gebürtiger Iraner, der mit vierzehn Jahren mit Geschwistern und Eltern aus politischen Gründen 1984 über die Türkei nach Deutschland ausgereist ist. Inzwischen lebt er in Mannheim und publiziert Bilderbücher. "Nusret und die Kuh" wurde 2017 für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert.
Auf 14 großen doppelseitigen Bögen erzählt er parallel zum Text die Geschichte des Eichhörnchens. Kindliche Knopfaugen blicken uns an, als Eichhörnchen als Baby lernt, dass es wichtig sei, für den Winter vorzusorgen. Herbstbraune Blätter fallen auf den schon von Laub bedeckten Boden. Hier kann man mit Kindern sich in die Arbeit des Versteckens einfühlen. Die folgende Doppelseite ist einem späten Wintertag gewidmet. Schneeflocken vor dem nachtblauen Himmel lassen die Konturen von Büschen und dem Eichhörnchen nur erahnen. Wintermelancholie verbreitet sich. Im Gegensatz dazu wird auf den folgenden Seiten die Situation von der satirisch heiteren Seite betrachtet, wenn Eichhörnchen vergeblich nach Nüssen sucht und am Ende nicht mal mehr weiß, was es eigentlich sucht. Diese Bilder sind in eine schneebedeckte untere Hälfte und eine dunkle Nachtseite halbiert. Suchen und finden, könnten die Schlagwörter dazu sein. Oder: Im hellen Weiß ist die Nahrung verborgen, aber die dunkle Seite schwebt bedrohlich darüber, ja sie wird beherrschend, wenn Eichhörnchen hilflos an einem Ast hängt und nicht mehr ein und aus weiß.
In dieser ausweglosen Situation hört es die höhnische Bemerkung eines Haselnussstrauches. Und es hört auch die beruhigenden Worte eines alten Baumes: "Wenn es alle fressen würde, die es vergraben hat, würde es uns nicht geben."
Eichhörnchen denkt darüber nach. Dazu braucht es keinen Text.
Diese zentrale Aussage macht das Tier so glücklich, dass es davon springt.
Phantastische drei Bildbögen liefern den Abschluss. Ein starrer, kahler Wald steht im Mondlicht, links sieht man die Sonne leicht am Horizont. Nächste Seite, gleiche Szene, aber das Licht der Sonne wird heller und strahlender, die Nacht vergeht und Eichhörnchen springt munter davon.
Auf der letzten Seite steht der Wald im vollen winterlichen Sonnenlicht. Es bricht strahlend durch die silhouettenhaften Bäume, die ihre Schatten auf das Weiß des Schnees werfen. Das Licht hat über die Dunkelheit gesiegt.
Ein wunderbarerer knapper Text mit einer großen Aussage. Und Bilder, in die man einsteigen und sich darin verlieren kann. Auch ohne viel Worte bekommt man eine Ahnung davon, dass Vergessen nichts Schlimmes sein muss, sondern durchaus auch etwas Positives beinhalten kann.

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Diese Rezension wurde verfasst von Walter Mirbeth; Landesstelle: Bayern.
Veröffentlicht am 14.09.2022