Der Weihnachtskarpfen

Autor*in
Törnqvist-Verschuur, Rita
ISBN
978-3-8251-7986-1
Übersetzer*in
Kutsch, Angelika
Ori. Sprache
Schwedisch
Illustrator*in
Törnqvist, Marit
Seitenanzahl
32
Verlag
Urachhaus
Gattung
BilderbuchSachliteratur
Ort
Stuttgart
Jahr
2016
Lesealter
6-7 Jahre8-9 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Klassenlektüre
Preis
15,90 €
Bewertung
empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Thomas verbringt Weihnachten bei seinem Großvater in Prag. Auf dem Markt machen sie letzte Besorgungen. Der Junge möchte unbedingt den Festtagskarpfen kaufen. Tatsächlich ersteht er ein Prachtexemplar, das er "Peppo" nennt. Auf dem Weg nach Hause beschützt Thomas seinen Fisch, den er lebendig transportiert, vor "gefährlichen" Tieren und versorgt ihn mit Wasser. Zuhause wird dem Großvater bald klar, dass sein Enkel das Tier ins Herz geschlossen hat und damit eine lange Tradition infrage stellt.

Beurteilungstext

"Der Weihnachtskarpfen" erschien erstmals 1989 unter dem Titel "Julkarpen" in Schweden. Es handelt sich um eine freie Nacherzählung von Jan Procházkas Kinderbuch "Der Karpfen". 1975 wurde die Geschichte des tschechischen Schriftstellers für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. Leider findet sich im Buch selbst kein Hinweis auf den ursprünglichen Text. Hiervon erfährt man lediglich auf der Internetseite des Verlages. Bei dem Autorenteam handelt es sich um Mutter (Text) und Tochter (Illustration). In ihrer Geschichte erzählt Rita Törnqvist-Verschuur von der Tradition des Weihnachtskarpfenessens. In Mittel- und Osteuropa ist dies ein typisches Gericht an Heiligabend. Mit ihm wird der Höhepunkt der Adventszeit, die nach der christlichen Lehre Fastenzeit ist, begangen.
Indirekt, durch ihre Beschreibungen und ohne dies explizit zu thematisieren, lässt die Autorin den Leser erleben, wie der Karpfen für Thomas mehr und mehr zu einem lieb gewonnenen Haustier wird. Viele Kinder begegnen Tieren mit spontaner Zuneigung, so dass sie sich gut mit den Gefühlen des Jungen identifizieren können. Gleich zu Anfang gibt Thomas dem Karpfen den Namen "Peppo" und spricht ihn persönlich an. Auf dem Nachhauseweg verteidigt er den Fisch und behütet ihn vor verschiedenen Gefahren. Zuhause füttert und spielt er mit ihm, bastelt ihm sogar schwimmende Weihnachtskerzen. Selbst die frisch gebackenen Karpfenkekse rührt Thomas nicht an. Damit verunsichert er auch seinen Großvater, der die Tradition bis dahin nie in Frage gestellt hat: " 'Alle Menschen im ganzen Land tun das', murmelte Großvater. 'Alle. Und ich…' " - 'Du nicht, Großvater, du nicht!' " (16), fleht der Enkel. Wie wird sich der Großvater entscheiden?
Törnqvist-Verschuur macht es spannend. Der Großvater schickt den Enkel in den Hof, um die letzten Vorbereitungen zu erledigen. Als Thomas kommen darf, stürzt er ins Bad und findet die Wanne leer vor. Dieser Cliffhanger erhöht nicht nur die Spannung. Er macht es auch möglich, Kinder über die Entscheidung des Großvaters und seine Motive spekulieren zu lassen. Peppo lebt. Der Großvater hat seinem Enkel zuliebe auf die Tradition verzichtet. Er hat sogar ein Aquarium für Peppo organisiert und direkt neben dem Weihnachtstisch platziert. Auch für Zuhörer, die bei "Weihnachten" zuerst an materielle Geschenke denken, wird klar, warum es für Thomas "der schönste Heiligabend in meinem ganzen Leben" (25) war. Aber das happy end folgt noch.
Unter dem Weihnachtsbaum liegt auch ein Geschenk für Peppo. Thomas packt einen Zettel aus, auf dem geschrieben steht: " 'Fröhliche Weihnachten, Peppo! Du darfst dir etwas wünschen!' " (21). Die zittrigen Buchstaben verraten den Großvater als Autor, was aber nicht explizit gesagt wird und Raum für Vermutungen lässt. Mit Thomas wird der Leser animiert über diese Frage nachzudenken. Beim Finden einer Antwort wird er auch durch das Bild des großen Peppo in einem viel zu kleinen Aquarium unterstützt. Der Großvater fragt geduldig und einfühlsam nach, bis der Junge selbst die Antwort findet: "Peppo möchte frei sein, Großvater!" (26)
Herausragend sind die Aquarelle von Marit Törnqvist, die den Betrachter Thomas durch das weihnachtliche Prag folgen lassen: Sie überqueren die Moldau auf der Karlsbrücke, besuchen den Markt auf dem Altstadtplatz mit seinen eindrucksvollen Gebäuden und dem imposanten Weihnachtsbaum in der Mitte und kehren schließlich entlang historischer Straßenzüge in die Altbauwohnung des Großvaters zurück, wo ihn hohe Decken, Holzdielen, Kacheln und eine alte, freistehende Badewanne mit großem Boiler erwarten. Neben dem Ort transportieren die Aquarelle durch ihre zarten, durchschimmernden, fließenden Farben in besonderer Weise die weihnachtliche Stimmung. Dies wird durch den Detailreichtum der überwiegend großformatigen Bilder unterstützt, die über die Geschichte hinausweisen und den (kindlichen) Betrachter zum Entdecken und Erzählen einladen. Das besondere Verhältnis zwischen Thomas und seinem Großvater spiegelt sich in der Mimik und der Körpersprache wider. Die beiden Helden wenden sich einander zu, schauen sich intensiv an, halten sich an der Hand, sind in Beziehung. Da braucht es keine Worte um zu erklären, was einen munteren, kleinen Jungen und einen sehr betagten, gebrechlich wirkenden Mann verbindet. Die Bilder illustrieren Schlüsselszenen der Geschichte und unterstützen damit wesentlich das Textverstehen. Das blutige Messer des Fischverkäufers und die Blutlache auf seinem Tisch deuten nur an, was mit einem Festtagskarpfen passieren muss, bevor er auf dem Teller landet. Dies ist vollkommen ausreichend, um den Leser Thomas Ängste um seinen neuen Freund nachvollziehen zu lassen. Hilfreich für die Orientierung des kindlichen Betrachters und die Identifikation mit dem Protagonisten ist, dass Thomas auf seinem Weg durch Prag eine rote Mütze trägt, die ihn vertraut erscheinen und auch auf dichten Bildern sofort wiederfinden lässt. Neben der Tradition des Karpfenessens finden noch weitere (bekannte) Weihnachtsbräuche in Wort und Bild Erwähnung, was das Bilderbuch neben den genannten Vorzügen zu einer empfehlenswerten Weihnachtsvorleselektüre macht.

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Diese Rezension wurde verfasst von .
Veröffentlicht am 01.01.2017

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