Der unvergessene Mantel

Autor*in
Boyce, Frank Cottrell
ISBN
978-3-551-55594-6
Übersetzer*in
Naoura, Salah
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Hunter, CarlHeney, Clare
Seitenanzahl
107
Verlag
Carlsen
Gattung
Ort
Hamburg
Jahr
2012
Lesealter
10-11 Jahre12-13 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
11,90 €
Bewertung
empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Ein vergessener Mantel ist alles, was Julie und ihrer Klasse von Nergui und Dschingis bleibt. Er lässt die Erinnerung an die beiden Jungs, die so plötzlich verschwinden, wie sie aufgetaucht sind, unvergessen bleiben.

Beurteilungstext

Das Cover des Buches säumt ein Mantel, der mit einem dicken schwarzen Buntstift grob skizziert und mit einem Landschaftsfoto ausgefüllt wurde. Doch zu welchem Land gehören die Berge und die Steppenlandschaft, die auf diesem Bild zu sehen sind? Schaut man in die Geschichte, so muss es sich um die Mongolei handeln, das Herkunftsland von Dschingis und seinem kleinem Bruder Nergui, die plötzlich am Zaun von Julies Grundschule in Bootle (Groß Britannien), in ihren langen, mit Pelz gefütterten Mänteln, mitten im Hochsommer stehen. Julie, die Erzählerin der Geschichte, erinnert sich, mittlerweile selbst Mutter, 20 Jahre später an ihre gemeinsame, wenn auch kurze Schulzeit mit Dschingis und Nergui zurück, den beiden Jungs, die aus einem fremden Land mit echten Adlern als Haustieren kommen. Julie erfüllt es mit Stolz, dass sie als "guter Ratgeber" die Zwei von nun an durch den Schulalltag begleiten darf.
So erfährt nicht nur Julie, sondern auch der Leser nebenbei einige interessante Infos über die Heimat der beiden, die Mongolei: Was ist bspw. ein "Obo" oder ein "Samowar"? Wo liegt die Mongolei und wie sieht es mit der Bevölkerungsdichte aus? Dies ist nur ein Abriss von Fragen, die dem Leser im Laufe der Geschichte beantwortet werden.
Während Dschingis und Nergui bemüht sind, sich durch Ausdrücke, wie "Foul" und "Elfmeter" "normal zu verhalten" und so wenig wie möglich aufzufallen, sicherlich auch, um dem Dämon, der sie verfolgt, zu entfliehen, sind die Mitschüler gewillt so viel wie möglich über die Mongolei zu erfahren. So werden bspw. ellenlange Vorträge über die Vegetation der Mongolei und Dschingis Khan gehalten.
Aber die Kinder in der Klasse lernen durch die beiden Jungs nicht nur ein ihnen bisher unbekanntes Land, sondern auch ihr heimisches Bootle besser kennen. Es stellt sich heraus, dass die den Mitschülern und dem Leser im Buch gezeigten Polaroids doch gar nicht Weltwunder der fernen Mongolei zeigen, sondern gleich um die Ecke liegen. Die Authentizität der Geschichte wird durch die Verwendung der Polaroidbilder unterstrichen. Diese zeigen Personen, Landschaften oder Orte, die zuvor beschrieben wurden. Der sparsame und bewusste Einsatz der Bilder nimmt jedoch nicht die Imaginationsbildung vorweg, sondern dient lediglich als gezielte Unterstützung für den Leser. Der Schulcharakter der Geschichte wird durch die optische Gestaltung der Buchseiten unterstrichen, die in Collegeblockdesign daherkommen.
Statt endlos langer Charakterbeschreibungen lässt der Autor die Namen der Charaktere sprechen, wie bspw.: Mrs. Spendlove, die Lehrerin der Klasse, Shocky, ein Mitschüler, auch auf einem der Polaroids zu sehen sowie Nergui (Niemand). Die Hauptcharaktere Julie und Dschingis kommen ohne einen sprechenden Namen aus.
Besonders nachdenklich stimmt die Geschichte der beiden Flüchtlingsjungen Dschingis und Nergui nach Abschluss der Geschichte, als der Leser im Nachwort erfährt, dass die Geschichte in Zügen auf wahren, zum Teil veränderten Fakten basiert. So widmet der Autor sein Buch Misheel, einem Flüchtlingsmädchen aus der Mongolei, das er bei seiner ersten Lesung in einer Grundschule in Bootle kennenlernte. Ihre Mitschüler waren sehr stolz auf sie, interessiert an der Mongolei und auch sie und ihre Familie wurden eines Nachts von der Einwanderungsbehörde, so wie Dschingis und Nergui, mitgenommen. Und so soll dieses Buch nicht nur die Bereicherung durch Interkulturelles Lernen verdeutlichen, sondern auch das Vorgehen kritisieren, mitten in der Nacht Kinder aus ihrem Bett zu holen und mitzunehmen. Am Ende der Geschichte erfährt man als kleinen Trost, dass Dschingis und Nergui wohl auf sind. Hiervon kann sich der Leser auf einem Polaroidbild der beiden selbst überzeugen. Was jedoch aus Misheel geworden ist, bleibt ein Rätsel.

Frank Cottrell Boyce:
Der britische Schriftsteller und Drehbuchautor wurde 1959 in Liverpool geboren, wo er auch heute lebt. Sein Erstlings-Jugendbuch "Millionen" wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet und 2004 von Danny Boyle verfilmt. Boyce schrieb auch das Drehbuch für die Eröffnungsfeier der Olympischen Sommerspiele 2012.

Carl Hunter:
Carl Hunter wurde ebenfalls 1965 in Liverpool geboren, ist Regisseur und spielt in der Liverpooler Band "The Farm".

Clare Heney:
Ist genau wie Carl Hunter Regisseurin und Fotografin. Sie hat gemeinsam mit den beiden oben Genannten schon zahlreiche Projekte, u.a. dem Film "Accelerate" realisiert.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von uvo.
Veröffentlicht am 01.01.2010

Weitere Rezensionen zu Büchern von Boyce, Frank Cottrell

Boyce, Frank Cottrell

Alle lieben George

Weiterlesen
Boyce, Frank Cottrell

Alle lieben George - Keiner weiß wieso

Weiterlesen
Boyce, Frank Cottrell

Broccoli Boy rettet die Welt

Weiterlesen
Boyce, Frank Cottrell

Der unvergessene Mantel

Weiterlesen
Boyce, Frank Cottrell

Millionen

Weiterlesen
Boyce, Frank Cottrell

Galaktisch

Weiterlesen