Der Unsichtbare - Freche Freunde

Autor*in
Wolf, Klaus-Peter
ISBN
978-3-8337-3186-0
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Baumann, Stephan
Seitenanzahl
79
Verlag
Gattung
Fantastik
Ort
Hamburg
Jahr
2014
Lesealter
8-9 Jahre10-11 Jahre12-13 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
8,99 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Sechs neue fantastische Geschichten von Jens-Peter und seinem unsichtbaren Freund - einem Freund allerdings, auf den Jens-Peter manchmal sehr gern verzichten würde! Aber eben nur manchmal… Ich bin normalerweise nicht besonders empfänglich für Geschichten, in denen Unsichtbare ihr Unwesen treiben. Aber Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel! Dieses Buch ist ein im doppelten Sinne fantastischer Lesespaß! Allerdings - aber das macht es für mich gerade lesenswert - mit realistischem Hintergrund.

Beurteilungstext

In Jens-Peters Leben taucht in schöner Regelmäßigkeit ""der Unsichtbare"" auf. Und er ist überzeugt davon, Jens-Peters Freund zu sein. Oft genug bringt er Jens-Peter allerdings in Schwierigkeiten, oder zumindest in blöde Situationen. Welcher Junge möchte schließlich schon mit geklauten rosa Strumpfhosen im Kaufhaus erwischt werden? Er nervt, dieser unsichtbare Freund, und doch: er lockt Jens-Peter auch. Als der sich z. B. schon damit abgefunden hat, Silvester sein Geld in die Spendendose der Welthungerhilfe zu stecken, ist es der Unsichtbare, der versucht, in Jens-Peter immer wieder die kindliche Freude am Feuerwerk, und damit auch am Verbotenen hervorzulocken. Er repräsentiert die ungezügelte Lust, den kindlichen Spaß an der Freude, der dem ""vorbildlich"" erzogenen Jens-Peter (Nomen ist Omen!) fast schon abhanden gekommen scheint. So spielt der freche Unsichtbare gekonnt den Gegenpart zum wohlerzogenen, braven Jungen. Doch empfinde ich die eigentliche Handlung, die Kinder wahrscheinlich einfach klasse finden werden, gar nicht so sehr als das Besondere in diesen kleinen Geschichten. Vielmehr fasziniert mich das Drumherum, der nebenbei erzählte ""Hintergrund"", vor dem die kleinen Episoden stattfinden. Während Kinder sich z. B. wahrscheinlich köstlich darüber amüsieren werden, wie Jens-Peter und der Unsichtbare Tante Keas missratene Kunstwerke in Grau farblich verschönern, ist es für den erwachsenen Leser eher amüsant, ein wenig mehr von der frustrierten Tante zu erfahren. Ihr depressives Klagen über ihren mangelnden Erfolg in der Liebe und in der Kunst am Telefon quasi ""mitzuhören"" und über die Naivität oder auch Dummheit des Galeristen herzlich zu lachen, der im Gekleckse der Kinder eine entscheidende Wende in Tante Keas künstlerischer Entwicklung zu erkennen meint. Nicht ohne Grund wurde Wolf mit dem Erich-Kästner-Preis ausgezeichnet. Kästner, der Gegner des ""Schreibens in der Kniebeuge"" für Kinder, hat Kindern immer zugemutet, sich mit der Realität in ihrer Vielfalt auseinander zu setzen. Von der sozialen Ungleichheit und ihren Folgen in ""Pünktchen und Anton"" (1931) bis hin zum Thema ""Trennung und Scheidung"" im ""Doppelten Lottchen"" bereits im Jahr 1949, hat Kästner Kindern immer auch den Teil der Realität gezeigt, der im Kinderbuch traditionell allzu gern ausgespart wurde. Das ist heute natürlich nicht mehr ganz so, dennoch gelingt es Wolf auf besondere Weise, das Leben der Erwachsenen realistisch darzustellen und sie in lust- und humorvoller Manier ihr ""Fett abkriegen"" zu lassen. Sprache und Stil sind dabei ebenso einfach wie anspruchsvoll und, vor allem, treffend. Zum Beispiel in der Beschreibung des Mathelehrers, Herrn Mäuschen: ""Was das Besondere an ihm ist? Nun, die flachsblonden Haare sind es nicht. Er ist nicht der bestgekämmte Lehrer der Schule, schon eher der strubbeligste. Nein, es ist etwas anderes. Was ihn zu einer Besonderheit macht, ist der Grund, warum er Lehrer wurde: Er liebt Kinder. Ja. So einfach ist das.(…) In anderen Berufen könnte er vielleicht mehr Geld verdienen, aber so hat er mehr Spaß, findet er. Mit dieser Meinung steht er im Lehrerkollegium ziemlich alleine da…."" Herrlich! Auf ähnliche Art amüsant und bemerkenswert finde ich auch die Art, in der Wolf zum Beispiel den missratenen Silvesterabend in Jens-Peters Familie schildert, der damit endet, dass Jens-Peters Vater unerwartet mit einem frisch von seiner Ehefrau verlassenen Nachbarn im Whisky-Rausch versinkt, während die Mutter den Abend als misslungen abhakt, frühzeitig ins Bett geht und einen Liebesroman liest. Dies ist zugleich auch ein wunderbarer Abschluss dieses Buches. Einen entscheidenden Beitrag leisten natürlich auch Stephan Baumanns Illustrationen für den Spaß am Lesen. Wohl angeregt durch die Notwendigkeit, einen ""Unsichtbaren"" grundlegend anders darzustellen als die sichtbare Welt, spielt er gekonnt mit der Unschärfe als zeichnerischem Element. Die ansonsten realistischen, kolorierten Zeichnungen bekommen so einen besonderen, ganz eigenen Charakter, der sich von typischen oder häufigen, ""kindgerechten"" Illustrationen angenehm abhebt. Vor allem aber ist Baumann in meinen Augen ein wahrer Meister darin, mit wenigen Strichen Gesichts - sowie Körperausdruck darzustellen. Das ist besonders auf der ganzseitigen Illustration auf Seite 60 der Fall, wo die beiden lustvoll Farbe auf die Staffelei schleudern. Auch hier gibt es für mich wieder einen Bezug zu klassischen Kinderbüchern, denn bei diesem Bild sehe ich sofort Max und Moritz vor mir, wie sie mit diebischer Freude Bauer Meckes Getreidesäcke aufschlitzen. Wohlgemerkt ist da nichts Abgekupfertes, ich sehe nur Parallelen in der Wirksamkeit der Zeichnungen! Und hier, auf S. 60, wird auch die ganz besondere Eigenständigkeit der Illustrationen in diesem Buch deutlich: Zum einen ist es bei genauem Hinsehen tatsächlich nur Jens-Peter, der da mit Farbe herumspritzt, wodurch der Leser natürlich angeregt wird, darüber nachzudenken, wer oder was dieser Unsichtbare eigentlich sein könnte oder ist. Auch ist die Illustration aber vom Text insofern abgelöst, als wir nämlich gar nicht sehen, dass die beiden ein grau-graues Bild aus dem Werk Tante Keas bespritzen. Es ist nur eine auf eine Staffelei gespannte Leinwand in warmem Gelb. Text und Bild stehen also recht eigenständig, einander eher ergänzend nebeneinander. Beide sind in bestem Sinne der Tradition guter deutscher Kinderliteratur verbunden, aber eben keinesfalls altbacken oder brav. Bild und Text sind hier, glaube ich, ziemlich gute ""freche Freunde"". :) Ein absolut erfrischendes Kinderbuch! Ich kann es nur empfehlen.

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Diese Rezension wurde verfasst von bsh.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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