Der Unsichtbare
- Autor*in
- Wahl, Mats
- ISBN
- 978-3-423-62164-9
- Übersetzer*in
- Kutsch, Angelika
- Ori. Sprache
- Schwedisch
- Illustrator*in
- –
- Seitenanzahl
- 206
- Ort
- München
- Jahr
- 2003
- Lesealter
- 14-15 Jahreab 18 Jahre
- Einsatzmöglichkeiten
- –
- Preis
- 7,00 €
- Bewertung
Schlagwörter
Teaser
Ein Polizist geht dem Verschwinden eines 16-jährigen Schülers nach, befragt seine MitschülerInnen und Familie, entwickelt ein Bild von ihm und dem Milieu in Schule und Kleinstadt. Der schwerverletzte Junge wird entdeckt, stirbt, die Jugendlichen, die ihn misshandelt haben, werden verhaftet.
Beurteilungstext
Mats Wahl (geb. 1945) hat sich auch bei deutschen LeserInnen seit Jahren einen Namen gemacht mit einer Vielzahl hervorragender Jugendbücher. Immer wieder geht es in seinen Büchern um die Kinder und Jugendlichen in unserer Gesellschaft, ihre Beziehungen untereinander und zu den Eltern, um Kontraste und Kernpunkte menschlichen Verhaltens.
Im vorliegenden Band greift der Autor Rechtsextremismus und Gewalt unter Jugendlichen in einer Kleinstadt auf. Klingt die Inhaltsangabe noch wie das Konzentrat eines Krimis, so macht der Autor doch mehr daraus.
Er läßt einen eher unscheinbaren Polizisten ermitteln, läßt den Leser/ die Leserin diesem Polizisten auf seiner Suche nach dem verschwundenen Jungen folgen und so allmählich ein Bild des Jungen und seiner Umgebung entstehen. Dieser Hilmer ist ein eher introvertierter Typ, nachdenklich, Schachspieler, aus einem behütenden Elternhaus, die Pastorentochter ist seine Freundin. An der Schule ist er mit einigen Skins aneinander geraten, weil er einem ausländischen Schüler geholfen hat.
Sehr krass läßt uns der Autor das Milieu in einer 9.Klasse mit zwei gewaltbereiten Schülern erleben, die vor nichts zurück zu schrecken scheinen. Noch schlimmer wirkt das Mädchen Annelie voller Hass, das sich ohne Grund prügelt und selbst angesichts des Schwerverletzten keinerlei Reue zeigt.
Der Polizist Fors deckt auch andere Strukturen auf: das Verhältnis des hilflos-liberalen Direktors zu seiner Sekretärin und ihrem Sohn, der als Fünfzehnjähriger begann, sich für den Nationalsozialismus zu interessieren, Kontakte zur rechten Szene und Musik aufnahm und nun als 21-jähriger Arbeitsloser auf Kosten seiner Mutter lebt. Schmierereien an der Schule wurden fünf Jahre lang nur weggewischt worden, keiner hat sie als Warnsignale verstanden, Anzeige erstattet, sie aufgegriffen. Die mangelnde Integration ausländischer Schüler wird an einem Jungen demonstriert, der meistens übersehen wird.
Was dieses Buch von einem Krimi abhebt - und den Titel verständlich macht - ist eine zweite Ebene: der Autor läßt den schwerverletzten Jungen als Unsichtbaren an den Nachforschungen des Polizisten teilnehmen und zugleich seine Schmerzen und seine Verzweiflung lebendig werden. Damit entwickelt der Leser/die Leserin schon vor dem Ende das Bewußtsein, wie schlimm dieses Verbrechen ist, wie stark die Beteiligung auch der Menschen ist, die scheinbar nur am Rande mit Hilmer zu tun hatten.
Diese zweite Ebene ist nicht immer geglückt integriert, es gibt Brüche, über die man aber schnell hinweg liest.
Der Autor erlaubt sich die Andeutung einer positiven Entwicklung, wenn er in der letzten eher poetischen Szene, nach dem Tod Hilmers im Krankenhaus, seine schwangere Freundin die Entscheidung für ihr Kind treffen läßt.
Damit weist das Buch über den Krimi-Rahmen, die spannende Lektüre, die Auseinandersetzung mit Jugendkriminalität und ihre Ursachen hinaus und macht es besonders empfehlenswert.