Der Tag des Regenbogens - Märchen, Mythen und Geschichten
- Autor*in
- Siege, Nasrin
- ISBN
- 978-3-86099-440-5
- Übersetzer*in
- –
- Ori. Sprache
- –
- Illustrator*in
- Rieder, Barbara
- Seitenanzahl
- 136
- Verlag
- Brandes & Apsel
- Gattung
- Märchen/Fabel/Sage
- Ort
- Frankfurt
- Jahr
- 2001
- Lesealter
- 10-11 Jahre12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
- Einsatzmöglichkeiten
- –
- Preis
- 14,90 €
- Bewertung
Schlagwörter
Teaser
Alte und neue Märchen und Geschichten aus verschiedenen Kulturkreisen werden teils nacherzählt, teils neu vorgetragen.
Beurteilungstext
Auch hierzulande haben Märchen eine reiche Tradition, spätestens seit die Brüder Grimm, Wilhelm Hauff oder in jüngerer Zeit Lisa Tetzner sie sammelten und als Bücher herausgaben. Einen ungleich höheren Stellenwert bis in die Gegenwart besitzt das vor allem auch mündliche Erzählen und Weitergeben von Märchen und Geschichten aber im Orient, und das weit über Scheherazade und 1001 Nacht hinaus. In einer Welt, die sich erst allmählich der “Konservenunterhaltung” von Rundfunk und Fernsehen öffnet, besitzen gute Geschichtenerzähler Kultstatus und nehmen wichtige kulturelle Aufgaben wahr.
Nasrin Siege kennt diese Tradition aus ihrer Kindheit im Iran, aber ebenso aus langjährigen Aufenthalten in verschiedenen afrikanischen Ländern. Das spürt man in vielen ihrer Bücher, ganz besonders aber im vorliegenden, das Überlieferung und kreative Neuschöpfung beinahe untrennbar miteinander verzahnt. Neben den genannten Weltgegenden als Hintergrund und Ursprung ihrer Geschichten finden sich aber auch Deutschland und der - vermutlich skandinavische - Norden als Schauplätze, die aber auch eine jeweils ganz eigentümliche Denk- und Erzählweise bedingen.
Das beeindruckt fast am stärksten in dieser Sammlung: Dass eine Autorin sich auf so unterschiedliche und für ganz verschiedene Länder typische Art und Weise einfühlen und ausdrücken kann, mühelos zwischen gegensätzlichen Weltanschauungen und Erzähltraditionen wechselt und dabei immer glaubwürdig bleibt. Verbindendes Element der Geschichten ist eine unorthodoxe Rollenverteilung, vor allem was die Rolle der Frauen betrifft. Sie sind hier nicht wie in der europäischen Tradition begrenzt auf das “schöne Opfer”, sondern beweisen oft mehr Initiative, Mut und Durchsetzungsvermögen als ihre männlichen Mit- oder Gegenspieler. Manche der Geschichten orientieren sich an recht alltäglichen Situationen und einer ganz konkreten Realität, andere wagen sich weit in das Feld der Fantasie, ohne dass das Wort “Fantasy” dafür angebracht wäre.
Aber gerade im afrikanischen Raum spielen eben Geister, Ahnen und übernatürliche Erscheinungen eine große Rolle, die allerdings häufig mit der einbrechenden westlichen “Zivilisierung” kollidiert und die kulturellen Wurzeln der Menschen bedroht. Nasrin Siege versucht hier mit Erfolg, diese manchmal widerstreitenden Strömungen zu versöhnen oder zumindest in ihrem Widerspruch aufzubrechen.
Erstaunlich sind einmal wieder die Illustrationen, die, nicht sehr zahlreich, aber ganzseitig, in Musterungen, Strichfiguren und Grauschattierungen eine ganz eigene Welt erschaffen, meist afrikanisch angehaucht, aber sofort verständlich, auch wenn jeder Augenblick der Betrachtung neue Denkanstöße und Interpretationswege anregt.
Dieses Buch ist nicht für Jeden geschaffen, denn es verlangt auch vom Leser Einfühlungsvermögen und Offenheit für ungewohnte Formen. Wer aber dazu bereit ist, kann aus den wenigen Seiten für viele Gedankenreisen Stoff entnehmen und wird immer wieder überrascht sein von der Vielfalt der Motive. Vielleicht sind die Geschichten keine “Mythen” im eigentlichen Sinne, aber genau wie solche bringen sie unentdeckte Saiten der Seele zum Schwingen und öffnen verborgene Türen. Bestes Futter für aktive “graue Zellen”!