Der stumme Wächter
- Autor*in
- Ott, Inge
- ISBN
- 978-3-7725-2021-1
- Übersetzer*in
- –
- Ori. Sprache
- –
- Illustrator*in
- Neuerer, Thomas
- Seitenanzahl
- 219
- Verlag
- Freies Geistesleben
- Gattung
- –
- Ort
- Stuttgart
- Jahr
- 2002
- Lesealter
- 12-13 Jahre14-15 Jahre
- Einsatzmöglichkeiten
- –
- Preis
- 8,00 €
- Bewertung
Schlagwörter
Teaser
Isaak, ein ca. 12-jähriger, verwaister Judenjunge, gerät in das Visier einer Diebesbande, die eine christliche Kirche in seinem Heimatort ausraubt, diesen Raub aber den Juden anlasten will. Isaak ist der einzige Zeuge. Sie greifen ihn, schneiden ihm die Zunge aus dem Mund und lassen ihn halbtot am Wegesrand liegen. Der berühmte Rabbi Löb aus Prag findet ihn, pflegt ihn gesund u. gibt ihm neuen Lebensmut.
Beurteilungstext
Zurück in eine Zeit voller Unruhen und Umbrüche (um 1600) führt die bekannte Autorin ihre Leser/innen. Im Mittelpunkt der spannungsreichen Erzählung steht Isaak. Er stammt aus einer wohlhabenden Kaufmanns-Familie, hat jedoch während einer örtlichen Judenverfolgung seine Eltern verloren u. lebt nun bei einem alten, missgünstigen Oheim ein nicht sehr angenehmes Leben. Bei einem Versteckspiel mit den Freunden verbirgt er sich in einer Kirchennische u. wird dort Zeuge des Kirchenraubes, fällt aber dabei auch den Räubern in die Hände. Sie richten ihn übel zu u. lassen ihn mehr tot als lebendig liegen. Der legendäre Rabbi Löb u. sein Schüler Jakob finden ihn. Mühsam wird er im Hause Löb wieder aufgepäppelt, lernt sich durch Mimik, Gestik und Schreiben zu verständigen u. kann schließlich sogar mithelfen, den letzten verbliebenen Dieb (seine Mithelfer, einen Mann u. eine Frau hat der Halunke umgebracht) dingfest zu machen.
Neben Isaak spielt der GOLEM, der stumme, starke Wächter der Judenstadt eine bedeutsame Rolle. Isaak erlebt mit, wie er geschaffen und später wieder zerstört wird.
Die Autorin kann auf ein großes Sachwissen über jüdisches Leben im ausgehenden Mittelalter, über Sitten und Gebräuche strenggläubiger Juden und vor allem ihr religiöses und philosophsches Gedankengut zurückgreifen. Und sie weiß dieses Hintergrundwissen (ausgwiesen auch durch ein mehrseitiges Glossar) effektvoll einzusetzen als Stilmittel ihrer Erzählung. So wird die Entwicklung des jungen Isaak einerseits geprägt durch die Erinnerungen an seine Eltern, andererseits durch die starke religiöse Spiritualität im Hause des Rabbi Löb, durch Weltoffenheit, Toleranz und Nächstenliebe. Als der Rabbi bei der Hochzeit seiner Enkelin stirbt, verlässt Isaak das Haus und kehrt in seinen Heimatort zurück: Eine hochbedeutsame Entwicklung in seinem Leben ist abgeschlossen.
Die Autorin erzählt nicht nur spannend (sie verliert nie den “Krimi” in ihrer Erzählung aus dem Auge!), sondern auch sehr präzise und detailgenau. Man kann das Leben in dem engen Hause des Rabbi Löb schier mit (geistigen!) Händen greifen, kann die Sorgen, Ängste, Kümmernisse, Probleme des Jungen Isaak nachempfinden, trauert mit ihm um den Verlust seiner Sprechfähigkeit u. freut sich, dass durch seine Wachsamkeit und Intervention der üble Übergriff aufgeklärt und bestraft wird. Und am Horizont zeichnet sich sogar ein ganz zarter Hoffnungsschimmer für die Zukunft ab!
Die historische Erzählung beinhaltet damit auch eine beeindruckende Adoleszenz-Variante.
Empfohlen vor allem für historisch interessierte Leser (u. Leserinnen) ab ca. 12 J., lesenswert jedoch auch für Ältere.