Der Rabe ist Acht

Autor*in
Antelmann, Corinna
ISBN
978-3-944572-05-5
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
220
Verlag
Mixtvision
Gattung
Ort
München
Jahr
2014
Lesealter
16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
12,90 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Zwei 17-jährige Außenseiter finden in der Klasse zusammen und berauschen sich an ihrer Überlegenheit allen anderen gegenüber. Klebe rettet einen angeschossenen Raben, pflegt ihn liebevoll gesund, Zahlenspielereien und Gewaltfantasien treiben sie dazu, ein Attentat in der Schule zu planen. Sechs Lehrer müssen ermordet werden. Dass es nicht dazu kommt, hat mit der Unsinnigkeit der Zahlenmystik zu tun, auch aber damit, dass sich das Leben nie so planen lässt, wie es sich die Beiden ausdenken.

Beurteilungstext

DER RABE IST ACHT, so wie alles Bedeutende mit einer Zahl verbunden ist für die beiden 17-jährigen Ich-Erzähler. Beide sind hochbegabt, beide leben als Solitäre, auch in ihrer Familie, nur gehen sie zusammen in eine Klasse und das treibt sie aufeinander zu. Ob sie wirklich hochbegabt sind, sei dahin gestellt, auf jeden Fall fühlen sie sich so und lassen das alle anderen spüren. Maja ist die Gedächtniskünstlerin, die das, was sie einmal gelesen hat, auch im Kopf behält. Sie ist überangepasst, funktioniert sowohl in der Familie als auch in der Schule perfekt und ist der Sonnenschein ihrer Lehrer, weil sie immer die richtigen Antworten weiß. Dabei hasst sie das so, wie sie überhaupt zu hassen in der Lage ist. Sie hasst ihren Namen Maja, weil sie nichts mit der Biene Maja gemein haben will, und sie hasst ihre Rolle in der Schule, aus der sie nicht heraus kann. Nur im Keller der Schule entlädt sich ihre Wut manchmal, indem sie Milchflaschen an der Wand explodieren lässt.
Klebe, der Junge, ist dagegen hochnäsig bis zum Gehtnichtmehr. Er hält sich einen Adlatus in der Klasse, einen Nachbarjungen, den er hartnäckig Bea nennt, allein schon um den für ihn wichtigen Abstand zu halten. Sein größtes Vergnügen ist es, Lehrer mit seinen Fragen zur Verzweiflung zu treiben, ein Triumph ist es, wenn Frau Mommsen in Tränen ausbricht. Mit deren Tochter war er mal befreundet und er genießt es noch mehr, wenn sie ihn nach seinem Triumph wütend angreift. Ohnehin findet er alle Menschen bescheuert. Zutiefst trifft ihn, als er durch Zufall mitbekommt, dass im Lehrerzimmer über seine allseits bekannten Zettelchen mit den provozierenden Fragen lauthals gelacht wird.
Die Beiden finden zusammen und entdecken die Mystik der Zahlen für sich. Sie lesen dem Spielchen ab, dass sechs der Lehrer sterben müssen. Eigentlich nimmt keiner der Beiden das so richtig ernst, aber jeder macht einen Schritt zuviel, so dass am Ende dem Kunstlehrer die Pistole an den Kopf gehalten wird - Klebe versagt, Maja schießt - allerdings vorbei. Das Ende ist offen.
Den Hintergrund dieser Gewaltfantasie bilden die pubertären Träume vor allem Klebes. Er hat erste sexuelle Erfahrungen gemacht, es war wohl zu früh für ihn. Maja reizt ihn, ihn ärgert dabei aber, dass sie nicht vollends auf seine Zahlenspielereien eingeht. In seiner Wut verprellt er das Mädchen, die bereit war, mitzuspielen. So ist auch der Schluss zu sehen. Mitten im gedanklichen Durcheinander um die Planung des Attentats im Lehrerzimmer trifft Klebe zutiefst, dass Maja in das Auto des Kunstlehrers steigt, dessen Affinität zu den attraktiven Schülerinnen schulbekannt ist. Er fährt hinter dem Pärchen her und hält dem Lehrer die Pistole genau im einzig richtigen Augenblick in den Nacken: als der Maja schon fast überredet hat, mit ihm ins Bett zu steigen.
Maja erlebt diese Szene wie in Trance. Der hilfsbereite Lehrer wird zum Schmeichler, zum Verführer, gleichzeitig nimmt sie sein Alter, seine Körperlichkeit angewidert wahr. Sie ekelt sich und weiß doch nicht, wie sie sich verhalten soll - zu sehr war sie immer angepasst. Von Klebe ist sie enttäuscht, es zieht sie gleichwohl noch hin zu ihm und sie weiß einfach nicht, wie sie sich verhalten soll.
Beide Jugendlichen sind in ihre Welt versponnen, sie können selbst nicht heraus finden, weil ihnen die für sie akzeptablen Gesprächspartner fehlen, offensichtlich immer gefehlt haben. Dass junge Menschen sich in abstruse Ideen verrennen können, kann jeder aus eigener Erfahrung bezeugen. Wie wichtig eine Auseinandersetzung in diesem Alter ist, wird hier im Negativbeispiel deutlich vor Augen geführt. Nur bleibt die Autorin zu eng an den unausgegorenen Ideen der Kinder, die keine Kinder mehr sind, sondern ihre Macht, die sich leicht brechen ließe, in extrema ausspielen. Der Einzige, der noch Zugang zu den Köpfen Beider hat, ist der Kunstlehrer, der seine Position schamlos auszunutzen versucht, statt die Gelegenheit zu ergreifen, als Korrektiv wirken zu können. Gleichzeitig zeigt die Autorin aber deutlich, dass eine Rettung kaum von der Schule zu erwarten ist, allenfalls im Zusammenhang mit der Schule, ein Lehrer also sich auch im persönlichen, im privaten Bereich angesprochen fühlen muss - wie eben jeder, der mit jungen Menschen zu tun hat.
Mir ist der Schluss in seiner pubertären Offenheit - Maja sagt Klebe, dass er sie einfach nicht kenne - zu unentschieden. Es muss da etwas mehr sein, Maja hat nicht zufällig daneben geschossen. Cjh14.06

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von cjh.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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