Der Junge im gestreiften Pyjama

Autor*in
Boyne, John
ISBN
978-3-596-85228-4
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
272
Verlag
FISCHER Schatzinsel
Gattung
Ort
Frankfurt
Jahr
2007
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
13,90 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

siehe in der Besprechung selbst

Beurteilungstext

Wir lesen ein Buch, das eine zunächst unerklärte Welt mit scheinbar normalen Abläufen durch die Augen eines Neunjährigen sieht. Dieser Junge, Bruno, lebt in Berlin in großbürgerlichen Verhältnissen, einem herrschaftlichen Haus mit mehreren Dienstboten, mit einem erfolgreichen Vater, einer schönen Mutter und einer zwölfjährigen Schwester, die "ein hoffnungsloser Fall" ist, als Gesprächspartner für einen Neunjährigen also ungeeignet.
Der Vater gefällt sich und seiner Umgebung durch eine prächtige Uniform, den Titel "Kommandant" und eine Neigung zum Aufstellen von Grundregeln, die "unbedingt und ausnahmslos" einzuhalten sind. Die Mutter paradiert als "Herrin des Hauses" mit einer Neigung zu "medizinischem" Sherry und anschließenden Nachmittagsnickerchen. Die Kinder sind beide Musterbeispiele an guter Erziehung und gepflegten Umgangsformen, die im Hause auch eine besonders herausragende Stellung einnehmen. Soweit nichts zu Außergewöhnliches.
Doch eines Tages muss die Familie aus beruflichen Gründen umziehen, in eine fremde Gegend mit dem seltsamen Namen "Aus-Wisch", die anscheinend in Polen liegt. Der Vater sieht diese Veränderung als Karrieresprung nach dem Besuch eines wichtigen Mannes namens "Furor" (eine etymologisch interessante Verballhornung des richtigen Wortes, die allerdings im Englischen noch wirkungsvoller ist, aber auch den Lateiner fasziniert) und seiner schönen blonden Begleitung Eva. Bruno kann dieser Veränderung nichts Positives abgewinnen, ist doch das neue Haus kleiner, die Wohngegend unattraktiv und weit und breit auch kein Spielgefährte in Sicht. Außerdem gibt es, nur wenige Meter entfernt, einen riesig hohen und langen Stacheldrahtzaun, hinter dem eine große Zahl merkwürdig traurig aussehender Menschen lebt, ohne dass Bruno den Sinn dieser "Wohnanlage" verstünde.
Der neue Wohnort entwickelt erst dann kleine Reize, als er Pavel kennen lernt, der abends bei den Eltern kellnert, dabei aber immer sehr schwach und traurig wirkt, obwohl er früher Arzt war. Und da ist vor allem Schmuel, Brunos astrologischer Zwilling, dem er eines Tages bei einer Erforschung des Zaunes begegnet und der auf der anderen Seite des Zaunes lebt. Mit diesem Jungen verbindet ihn bald eine enge Freundschaft, obwohl sie immer nur durch den Zaun reden können, keiner von ihrer Beziehung wissen darf und die Lebensverhältnisse der beiden sich im Gespräch als sehr unterschiedlich herausstellen.
Nach mehr als einem Jahr will die Mutter mit den Kindern wieder nach Berlin ziehen, obwohl es dort nachts immer laut und gruselig ist und man das Licht ausschalten muss, doch das Leben in Aus-Wisch scheint für Kinder eher ungeeignet. Als Bruno sich von Schmuel verabschieden will, erfährt er, dass dessen Vater nicht auffindbar ist und bietet an, bei der Suche zu helfen. Er lässt sich von Schmuel einen dieser gestreiften Pyjamas besorgen, kriecht unter dem Zaun durch und kann zum ersten Mal die Wohnung seines Freundes besuchen. Doch die Soldaten führen eine große Gruppe von Menschen, unter ihnen Schmuel und Bruno, zu einem großen Waschraum, damit sie sich vor dem Regen unterstellen können.
Brunos Eltern sehen ihren Sohn trotz intensiver Suche nicht wieder, bis sie seine Kleider am Zaun finden und der Vater ahnt, was abgelaufen ist. Danach ist er für seinen Posten nicht mehr zu brauchen.
Sicher eines der bewegendsten Bücher, die der Rezensent jemals las, obwohl man danach nur fassungslos verstummen oder übersprudeln kann. Ich wäre lieber verstummt, aber dann würde hier nicht geworben für den "Jungen im gestreiften Pyjama". Und das muss man, denn man kann diesem Buch gar nicht Leser genug wünschen.
Wie eingangs gesagt: Die Lektüre beginnt ganz harmlos, nett und normal, und in Brunos Augen bleibt sie das auch, bis zur letzten Seite. Er ist manchmal irritiert, manchmal verunsichert, manchmal auch wütend oder enttäuscht, aber alles ist sein ganz normales Leben. Die manchmal fast unerträgliche Erschütterung entsteht nur im Kopf des Lesers, aus seinem Hintergrundwissen, durch seine Rückschlüsse. Dazu ist natürlich Voraussetzung, dass es Hintergrundwissen gibt, dass die Andeutungen sich erklären. Die Wucht, mit der die zunehmende Erkenntnis den Leser trifft, steht in umgekehrtem Verhältnis zur Erzählweise und den eigenen Gedanken Brunos

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von bh.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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