Der Hooligan

Autor*in
Kofmehl, Damaris
ISBN
978-3-7655-4005-9
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
335
Verlag
Gattung
Krimi
Ort
Gießen
Jahr
2007
Lesealter
14-15 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
11,95 €
Bewertung
empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Jan ist Fußballfan. Er lebt bis kurz vor der Grenzöffnung in der ehemaligen DDR und ist als Punker und später als Neonazi in der Hooligangszene aktiv. Weder eigene Verletzungen noch die harten Strafmaßnahmen in den Gefängnissen der DDR mindern Jans Gewaltbereitschaft. Auch nach der Übersiedlung in ´den Westen` bleibt er Hooligan. Später spitzt sich die Situation immer weiter zu, bis Jans Leben plötzlich eine überraschende Wende nimmt.

Beurteilungstext

‘Der Hooligan’ ist die Geschichte von Jan Günther, der in der ehemaligen DDR aufwächst und dessen einziges Bestreben es zu sein scheint, aus der Reihe zu tanzen. Er rebelliert zunächst als Punk, übrigens mit staatsfeindlicher rechter Gesinnung, gegen das System der DDR und wird trotz Alternativen aus purer Lust am Besonderen Fan des unter dem Einfluss der Stasi stehenden Fußballclubs BFC. Durch den Eintritt in die Hooliganszene dieses Vereins geht er immer gewalttätigere Wege. Selbst mehrere Gefängnisaufenthalte, die meist Folge seiner staatsfeindlichen Gesinnung und nicht seiner Gewalttaten sind, lassen ihn keine Reue zeigen sondern führen dazu, dass er sein Gewissen aufgrund des harten Gefängnisalltags gänzlich verdrängt.
Da die neue, linke Punkszene Jan nicht mehr behagt, werden er und seine Freunde zu Neonazis. Die Flucht in den Westen und der Fall der Mauer verändern kaum etwas an Jans Verhalten. Er bleibt ein rechter Hooligan, ist alkohol- und wird nun auch noch drogenabhängig und gerät in die mafiösen Strukturen der Rockerszene. Auf einer Kur, die Teil eines Planes zum Betrug der Krankenkasse ist, besinnt er sich plötzlich und findet zu Gott. Er weint alle über die Jahre unterdrückten Tränen und Gott vergibt ihm innerhalb weniger Minuten all seine Sünden. Danach ist er so dankbar und glücklich, dass er allen Menschen nur noch von Jesus erzählt und seine Probleme durch Beten in den Griff bekommt.
Eine ganz schön schräge Wendung, die, würde es sich nicht um eine wahre Geschichte handeln, wie ein eher abwegiges und erzwungenes Happy end anmutet. Doch auch, wenn es sich um eine tatsächlich stattgefundene Entwicklung handelt, bekommt man als Leser aufgrund der unkritischen Schreibweise schnell das Gefühl, einen christlichen ´Bekehrungsroman` in der Hand zu halten. Es war einmal ein Junge, der hatte zwar keine schwierige Kindheit, aber irgendwie war er trotzdem so wütend auf die Welt, dass er ganz vielen Leuten die Köpfe einschlagen musste. Und als er keine Lust mehr auf dieses Leben hatte, traf er Gott und plötzlich wurde er zu einem ganz lieben jungen Mann, weil ja auch Gott ihn lieb hatte, obwohl er, Jan, ja so viele Menschen mit seinen Springerstiefeln blutig getreten hatte. Diese Liebe musste der Jan nun unbedingt weitergeben und das klappte am besten, indem er seine alten Rocker- und Nazikollegen durch seine heitere, jesusgleiche Gelassenheit, die er als wahrer Christ auch im Angesicht seiner drohenden Ermordung behält, beeindruckte.
Doch trotz des Gefühls, hier offensichtlich von einer erwiesenermaßen sehr christlichen Autorin unterschwellig umworben zu werden, kann man die Entwicklung der Hauptfigur am Ende genießen, weil man sich nach all der unreflektierten Brutalität über jegliche menschliche Regung erleichtert zeigt. Beim Lesen löst sich eine Spannung, die sich deshalb aufgebaut hat, weil man die maßlose Gewalt zuvor zwar interessiert beobachten durfte, sie jedoch aufgrund der nüchternen und emotionslosen Sprache und dem Fehlen von auch nur ansatzweise nachvollziehbaren Gründen gar nicht fassen konnte. So ruft die Erzählung am Schluss durch die extreme Wendung zwar zunächst eine gewisse Irritation hervor, weist jedoch auch komische Elemente auf und verführt sogar das eine oder andere Mal zum Schmunzeln.
Insgesamt werden in der Erzählung, wie bereits angedeutet, sehr viele Themen aufgegriffen. Der Leser bekommt eine Ahnung von den Verhältnissen in der ehemaligen DDR, der ostdeutschen Punk-, sowie der Hooligan- und Neonaziszene, jedoch nur schemenhaft, da vor allem der alle Szenen verbindende Bestandteil, die Gewalt, im Mittelpunkt steht. Gerade diese aus Langeweile, Rebellion und Willkür verübte Brutalität hat aber auch etwas Interessantes, da es diverse Anknüpfungspunkte an aktuell stattfindende Gewalttaten gibt. Nur ein Verständnis für diese hilft die Erzählung nicht zu entwickeln, weil alle gern herangezogenen Erklärungsversuche an der Hauptperson scheitern. Diese ist zwar genervt von der DDR (mehr aber auch nicht), musste jedoch weder Arbeitslosigkeit, Armut noch eine schlimme Kindheit erleiden. Im Prinzip leidet Jan vor allem an seiner eigenen Ich-Zentriertheit und seinem fehlenden sozialen Gewissen, das seinem Leben vielleicht schon etwas eher einen Sinn hätte geben können. Vielleicht erlebt er die Begegnung mit Gott deshalb so extrem, weil es eine der wenigen echten Begegnungen in seinem Leben ist.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Erzählung durchaus lesenswert ist. Wenn man sich durch das sprachlich abschreckende erste Kapitel gequält hat, das durch seine Floskelhaftigkeit einen unglaublich eingeschränkten Wortschatz vermuten lässt ("Das Wort ließ mich innerlich erschauern."; "Ich spürte einen Klumpen im Hals, der rasch größer wurde."; "Ich duckte mich wie ein Schaf, wenn der Wolf kommt."), erwarten einen sowohl Begebenheiten zum Schmunzeln als auch zum Kopfschütteln sowie interessante Einblicke in verschiedene Szenen und die DDR. Wenn man für sich das Erweckungserlebnis am Ende relativiert und in ein tief greifendes Einsichtserlebnis transformiert, erinnert es an eigene, besondere Erfahrungen sowie an Gegebenheiten in der Literatur bedeutender Epochen und Schriftsteller und kann somit eine subjektive Aufwertung erfahren.






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Diese Rezension wurde verfasst von wiec.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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