Der Gourmet. Von der Kunst allein zu genießen

Autor*in
Kusumi, Masayuki
ISBN
978-3-551-76867-4
Übersetzer*in
Schmitt-Weigand, John
Ori. Sprache
Japanisch
Illustrator*in
Taniguchi, Jiro
Seitenanzahl
196
Verlag
Carlsen
Gattung
Comic
Ort
Hamburg
Jahr
2014
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
14,90 €
Bewertung
empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Gebratenes Schweinefleisch in Sanya, gegrillte Manju in Taksaki, eine Sushi-Bar in Kichijoji oder gedünstete Shumai im Shinkansen: An jedem Ort ein Essen, zu jedem Essen ein Ort – so das Strukturprinzip des neuen Manga von Masayuki Kusumi & Jiro Taniguchi. In achtzehn Episoden eines kulinarischen Reiseführers im Medium des Comic lassen die beiden Schöpfer einen Handlungsreisenden durch die Speisekarte Japans streifen.

Beurteilungstext

Protagonist – und zugleich personale Konstante - des episodischen Manga ist der einsame Geschäftsmann Goro Inagashira, der geschäftlich durch Japan reist. Allein seine wirtschaftlichen Interessen spielen innerhalb der Handlung kaum eine Rolle. Der Fokus der Episoden liegt auf seinen Mittagspausen und seinem Feierabend. Dann nämlich sucht er eine Möglichkeit zum Speisen, wobei er sowohl japanische Spezialitäten als auch Snacks konsumiert. So behandelt jedes Kapitel einen eigenen Schauplatz und ein eigenes Gericht. Darüber hinaus werden die Gerichte und Orte – v.a. auf graphischer Ebene – subtil an soziale und charakterliche Stereotype rückgebunden. Implizit gibt der Comic somit also auch Antwort auf die Frage: Wer is(s)t was in Japan? Dabei wäre es vermessen Inogashira als einen Gourmet im üblichen Sinne zu bezeichnen: Vielmehr ist er in Bezug auf das Essen ein Flaneur, oder Connaisseur. Denn er kennt sich aus in Japans Küchen. Er weiß genau, welches Gericht sich lohnt und welches nicht, worauf es ankommt und was Speisen besonders macht. Und immer genießt er das Essen – auch visuell, so wie der Leser – ohne seine Aufmerksamkeit etwas anderem als eben diesem Essen zu widmen.
Allerdings kommt man diesem Protagonisten – der den Leser immerhin durch 18 Kapitel führen soll – niemals wirklich nahe. An keiner Stelle des Manga wird er persönlich oder zeigt Gefühl. Was ihn antreibt, woher er kommt, wohin er geht – all das bleibt völlig im Dunkeln. Alles was dieser vermeintliche Workaholic sucht, ist ein stilles Plätzchen zum Essen. Immer ist er allein unterwegs, und wenn er in die Verlegenheit gerät, ein Gespräch führen zu müssen, fallen nur nichtssagende Worte, die die Höflichkeit gebieten. Sowohl die Dialoge, als auch die inneren Monologe bleiben stets seltsam hölzern, so dass bald der Eindruck entsteht, hier sei alles statisch und ungelenk. Man hat beinahe das Gefühl, als ob der Manga hätte besser wirken können, wäre auf die Autorentexte Kusumis in den Sprechblasen einfach verzichtet worden.
Denn Taniguchis oft so bezaubernde Zeichnungen wirken natürlich dennoch: Schwarz-weiß, aber realistisch bis ins letzte Detail. Lediglich die Gesichter der Menschen sind stilisiert – auf dass der Leser sich leichter mit ihnen identifiziert und Archetypen erkennt. Die Panelübergänge und Wort-Bild-Beziehungen sind traditionell und enthalten wenig innovatives. Aber das braucht es bei einem Meister wie Taniguchi auch nicht: Denn der Stil des Bildes soll den Inhalt des Erzählten stützen. Und der ist wie immer bei Taniguchi eher dokumentarisch-naturalistisch als fiktiv-phantastisch.
Was dieser Band in erster Linie bietet, ist also ein Einblick in die vielfältige japanische Küche und (Ess-)Kultur. Es bleibt aber (leider) nur bei einem dokumentarischen Einblick – Begeisterung, Neugier oder gar Interesse kommen an keiner Stelle auf.

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Diese Rezension wurde verfasst von OWA.
Veröffentlicht am 01.10.2015