Der geheimnisvolle Koffer von Herrn Benjamin

Autor*in
Chang, Pei-Yu
ISBN
978-3-314-10382-7
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
40
Verlag
Nord-Süd
Gattung
BilderbuchBuch (gebunden)Sachliteratur
Ort
Gossau
Jahr
2017
Lesealter
6-7 Jahre8-9 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
18,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Herr Benjamin muss sein Land verlassen, weil seine „außergewöhnlichen Ideen“ dort nicht erlaubt sind und es gefährlich wird für ihn. So macht er sich mit Frau Fittko, die sich mit geheimen Wegen auskennt, auf den Weg über die Berge. Er hat einen sehr schweren Koffer dabei,
der ihm das Wichtigste auf der Welt ist und den er auf keinen Fall zurücklassen will. Niemand hat bis heute das Geheimnis des Koffers von Herrn Benjamin gelöst.

Beurteilungstext

Dieses Bilderbuch ist die Abschlussarbeit der Literaturwissenschaftlerin und Illustratorin Pei-Yu Chang an der Uni Münster. Mit der Veröffentlichung hat sie der Kinder- und Jugendliteratur und allen wissbegierigen großen und kleinen Menschen ein besonderes Geschenk gemacht: In ihrer ebenso anmutig wie in unvergesslichen Bildern (großflächige aquarellfarbige Collagen) und treffsicherem Text erzählten Parabel scheint ein Stück deutscher Exil- und Fluchtgeschichte aus der Zeit des Faschismus auf, in deren Zentrum Walter Benjamin und seine Fluchthelferin Lisa Fittko stehen.
Es ist ein mutiges Unterfangen, eine solche tragische Geschichte eines bedeutenden Schriftstellers und Künstlers (Benjamin überlebte die Flucht nicht) aus einer für Kinder und Jugendliche sehr fernen Zeit so zu erzählen, dass sie auch für jüngere Kinder verständlich ist und ihnen einen Zugang ermöglicht. Dies gelingt Chang vor allem mit dem Kunstgriff des Rätsels um den Inhalt des Koffers, das niemand lösen kann, denn Herr Benjamin ist verschwunden in einem „kleinen Hotel in den Bergen und mit ihm der Koffer.“ Was wohl darin war? Das fragten sich nicht nur die Bergbewohner, sondern auch die Wissenschaftler und gelehrten Leute überall und natürlich auch die Generäle aus Benjamins Heimatland. Sie vermuten: „Benjamin hat bestimmt die gefährlichste Waffe gegen uns in seinem Koffer gehabt.“ Damit haben sie sicher Recht, aber ob es wirklich Minipanzer, Roboter oder eine Rakete waren, das werden auch die Kinder vermutlich nicht glauben können. Chang lässt viele Leute immer aus der eigenen Perspektive Überlegungen anstellen über den Kofferinhalt, was etwas Entlarvendes hat, denn genauso wenig wie er wohl Roboter dabei hat, hat er „50 Dosen Marmelade von seiner Oma“ dabei, vielleicht schon eher „die beste philosophische Idee aller Zeiten“, wie die Akademiker glaubten. Aber ob es die überhaupt gibt?
Fragen über Fragen für die LeserInnen und BetrachterInnen des Bilderbuches, das Chang allen Menschen gewidmet hat, die aus ihrem Land flüchten müssen. Sie ehrt mit diesem wunderbaren Buch zugleich Walter Benjamin wie auch die österreichische Widerstandskämpferin Lisa Fittko, die 1940/41 aus der Lagerhaft der Nazis geflüchtet war und unzähligen politisch und rassistisch Verfolgten über die Pyrenäen nach Spanien und weiter auf Schiffe in die USA oder in andere Länder verhalf.
Für die erwachsenen (Vor-)Leser des Buches gibt es zudem noch eine ganze Menge zu entdecken und zu enträtseln: Adressen, Hausnummern, Initialen, Etiketten und hier und da auch bewusst gesetzte Gegensätze zwischen Bild und Text: Kommt im Text Benjamin mit einem schwarzen Koffer zum Treffpunkt, so ist dieser im Bild leuchtend rot und mit seltsamen Zeichen versehen. Chang arbeitet mit großem Geschick Textschnipsel aus Benjamins Texten in die Bilder ein, nutzt die Möglichkeiten der Typografie, um pointiert zu erzählen. Die Sprache der Bilder ist zudem sehr beredt und verweist auf die Recherchearbeit der Künstlerin ebenso wie auf ihre Verbundenheit mit der Geschichte Benjamins: Das Inlett des Koffers mit seinen grünen und zartroten Streifen bildet im Nachspann ihr Kleid, das gelbe Karopapier, das Benjamin umrahmt mit seinem Koffer auf der Flucht, bildet das Fundament, auf dem sie am Ende des Buches steht. Nicht zuletzt schließt sich hier der Kreis vom großen, außergewöhnlichen Denker Benjamin mit den freischwebenden Blumen, der Denkblase und dem Schreibstift auf der ersten Seite zur Künstlerin Chang auf der letzten Seite mit eben diesen Blumen und mit dem Malstift in der Tasche. Ihr Bild von Benjamin mit hohem Zylinder begründet sie im Nachwort mit der Beschreibung seines Freundes Th. W. Adorno, der ihn so beschrieb.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von SRAn; Landesstelle: Hessen.
Veröffentlicht am 08.11.2017

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