Der Attentäter - Die Welt des Gavrilo Princip

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• Historisches

Teaser

Dreh- und Angelpunkt dieser Grafic Novel ist das den Ersten Weltkrieg auslösende Attentat von Sarajevo, dessen Hintergründe hier zusammengetragen und dargestellt werden.

Beurteilungstext

Am 28. Juni 1914 erschoss ein serbischer Nationalist den österreichisch-ungarischen Thronfolger und seine Frau - ein Ereignis, das eine Kettenreaktion auslöste, an deren Ende der Erste Weltkrieg stand. Dieses im Geschichtsbewusstsein so eindrücklich verbriefte Ereignis ist doch in der Regel recht konturlos. Wer war dieser Mann und was drängte ihn zu dieser Tat? Warum konnte das Ereignis eine solche Sprengkraft entwickeln und hätte es unter anderen Umständen eine ähnliche Verkettung von Ereignissen und einen Ersten Weltkrieg gegeben? Solchen impliziten Fragen geht Henrik Rehr in seiner vorliegenden Grafic Novel nach. Er erzählt die Vorgeschichte der Akteure des 28. Juni 1914, ihre Biografie, ihre Entwicklung, berichtet von Erfahrungen, Bestrebungen nach Eigenständigkeit auf dem Balkan, Herrschaftssicherungsversuchen und ganz persönlichen Dramen der kleinen und großen Leute, die aus den Geschichtsfiguren echte Menschen mit Charakterzügen und -schwächen entstehen lassen, die den Ereignissen dieser Zeit eine ganz neue Bedeutung geben. Insofern schafft es Rehr, den schrecklichen Geschichtsmomenten Leben einzuhauchen und zu zeigen, wie sie in Beziehung mit unseren Erfahrungen stehen, wie sie die verschiedenen Akteure uns fremd und vertraut gleichermaßen erscheinen lassen. Schließlich verpasst es Rehr auch nicht, den Bezug zum letzten Krieg auf dem Balkan herzustellen, in dem nun die Serben die Rolle der Besatzer und Unterdrücker einnahmen und in der die neue Situation doch ganz offensichtliche Parallelen zu den Ereignissen 1914 aufwies. So wird noch einmal deutlich, dass jede Verurteilung solcher Ereignisse schwierig ist und jeder in die Situation der einzelnen Akteure kommen kann - egal auf welcher Seite. Und dass hinter vielen vordergründig bewundernswerten oder verabscheuungswürdigen Taten doch eine differenzierte Persönlichkeit mit Motiven und Erfahrungen steht, die nicht einfach als Typus des Guten oder Bösen abzutun ist.
So lädt das Buch ein, Geschichte als Folie für die eigene Erfahrung zu nutzen und aus dem Gewesenen Ertrag für das eigene Leben zu ziehen. Und das ist eine wichtige Möglichkeit in einer Zeit, in der der eigene Standpunkt mehr denn je wichtig für den globalen Zusammenhang wird. So ist das vorliegende Buch mit Nachdruck zu empfehlen. Es fasziniert seines Inhalts wegen, aber auch in der Form der Grafic Novel mit seinen grafischen schwarz-weiß-Zeichnungen, die vielfach interpiktorale Bezüge zu bekannten historischen Bebilderungen aufbauen, aber andererseits diese in ganz persönlichen und individuellen Zusammenhängen kontextualisieren. Die historisierenden Darstellungen belassen zudem eine heilsame Distanz, die das Dargestellte erträglich macht, ohne zu banalisieren. Das Buch ist ausdrücklich zu empfehlen.