Dazwischen: ich

Autor*in
Rabinowich, Julya
ISBN
978-3-446-25306-3
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
256
Verlag
Hanser
Gattung
Erzählung/Roman
Ort
München
Jahr
2016
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
15,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Madina floh mit ihrer Familie von Syrien nach Deutschland. Im Gegensatz zu ihren Eltern findet sie Anschluss. Die Kluft zwischen Tradition des Elternhauses und neuen Freunden droht jedoch, die Familie zu zerreißen.

Beurteilungstext

Der Roman ist als chronologische Reihung von unterschiedlich langen Tagebucheinträgen konzipiert. Das erzeugt durchaus Nähe. Beispielsweise notiert Madina manchmal nur kurz, dass sie keine Lust hat zu schreiben. Schon allein ihr Schreibverhalten, aber auch das Abdriften in Phantasie sowie die Überlagerung von Phantasie, Erinnerung und Gegenwart geben Einblick in die Gefühlswelt eines pubertierenden Teenagers.
Dennoch schimmert die Konstruiertheit der Figuren oft unschön hindurch. Dass in der Asylunterkunft ein Junge wohnt, der Killerspiele spielt, Flyer des IS verteilt und den Madina meint, im TV bei der Berichterstattung über einen Terroranschlag zu erkennen, ist meines Erachtens unnötig. Die anderen Figuren bieten auch ohne diesen Nebenschauplatz genügend Reiz. Sie sprechen oft in einer prägnanten und verständlichen, aber überaus kraftvollen Sprache, was das Buch für die jugendliche Zielgruppe sehr ansprechend macht. Dies ist eine der zwei zentralen Stärken des Romans. Die andere liegt in der vielschichtigen Figurenentwicklung, die sich natürlich insbesondere an Madina am besten beobachten lässt. Während sie am Anfang ein Kind ist, das von ihrem Vater beim Wandern und im Leben geführt wird, dann in Opposition zu ihren Eltern geht, ihren Vater sogar als „Arschloch“ bezeichnet, entwickelt sie sich zum Schluss zum Familienoberhaupt. Die Veränderung ihrer Rolle zeigt sich beispielsweise, wenn sie ihren Vater aufs Amt begleiteten muss, um die Worte des Vaters und der Asyl-Sachbearbeiter jeweils zu übersetzen. Am Anfang übersetzt sie möglichst wortgetreu, während sie später immer mehr die Worte des Vaters modifiziert wiedergibt. An anderer Stelle nutzt sie ihre sprachliche Überlegenheit gegenüber dem Vater sogar aus, indem sie Mitteilungen der Schulleitung zu ihrem Vorteil bewusst falsch übersetzt. Schon hier zeigt sich, wie Madina den Platz zwischen den Kulturen einnimmt, sich in und an ihm entwickelt, weshalb mir der Titel des Romans sehr gut gefällt.
Obwohl also der Fokus auf Madina liegt, sind auch die anderen Figuren vielschichtig gestaltet. Auch scheinbar irrational handelnde Figuren, nicht nur aber vor allem der Vater, behalten in prekären Situationen ihre Würde, weil die Autorin dem Leser die Möglichkeit bietet, deren Positionen und ihre Genese nachzuempfinden. Die Darstellung ist dabei vermittelt durch Madinas Perspektive subjektiv gebrochen, aber nicht einseitig. Obwohl Madina beispielsweise an den traditionellen Auffassungen zur Rolle der Frau leidet, werden auch die Schattenseiten liberalerer Lebensentwürfe thematisiert.
Dies alles verleiht dem vielschichtigen, aber äußerst zugänglichen Roman ein hohes Maß an emanzipatorischem Potential, weshalb er absolut empfehlenswert ist.

Marco Magirius

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von mma; Landesstelle: Hamburg.
Veröffentlicht am 12.06.2017

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