Das Spiel des Schicksals

Autor*in
Powell, Laura
ISBN
978-3-570-30743-4
Übersetzer*in
Ernst, Alexandra
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
333
Verlag
Gattung
Fantastik
Ort
München
Jahr
2011
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
12,99 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Londons Gassen bergen viele Geheimnisse. Das muss auch Cat erfahren, die eben erst in die Metropole gezogen ist. Als sie ein Fremder plötzlich um Hilfe bittet, ahnt sie nicht, dass sie durch diesen in ein Spiel geraten wird, in dem es um nichts geringeres geht als das Schicksal der Welt. Das Arkanum, in dem vier mächtige Könige um die Herrschaft über alles ringen, hat seine Pforten geöffnet. Und Cat muss aufpassen, dass sie sich in dieser rätselhaften Parallelwelt nicht verliert.

Beurteilungstext

“Das Spiel des Schicksals” (“The Game of Triumphs”, London 2009) ist das Jugendbuchdebüt der britischen Schriftstellerin Laura Powell und Auftaktband einer Reihe, deren Fortsetzung mit “The Master of Misrule” bereits für Mitte 2012 zumindest im englischsprachigen Raum angekündigt wurde. Dabei scheint “Das Spiel des Schicksals” - und das fällt gerade im Jugendbuchbereich mit der durchaus beobachtbaren zunehmenden Reihenaffinität sehr angenehm auf - zunächst ob der sorgfältigen Figurenzeichnung und der behutsamen Entwicklung der Handlung nicht als klassischer Erstling eines wie auch immer gearteten Mehrteilers, sondern als ein in sich geschlossener Text, der Detailtreue nicht auf später verschieben möchte.

Zum Einstieg: Cat, deren Eltern ermordet worden sind, als sie noch ein Kleinkind war, wächst inzwischen bei ihrer Tante auf. Beide sehnen sich nach einer Luftveränderung und ziehen so von der englischen Provinz in die Metropole London. Hier wird Cat gleich zu Beginn der Geschichte Zeugin einer befremdlichen Verfolgungsjagd, in der das vermeintliche Opfer sie um Hilfe anfleht und bittet, die Verfolger in eine andere Richtung zu schicken. Cat beschließt, dem Fremden zu folgen, verliert ihn aber aus den Augen. Anstatt dessen kommt sie in einen merkwürdigen Lagerraum, in dem zwei Frauen und zwei Männer miteinander Karten spielen. Die vier zeigen sich allerdings wenig beeindruckt von der Bitte ihres unverhofften Gastes, dem flüchtenden Mann zu helfen, und stecken Cat lediglich ein Adresskärtchen zu. Verwundert und erbost tritt das Mädchen den Heimweg an. Wenige Tage später erfährt sie über das Fernsehen, dass der Verfolgte tot aus der Themse gezogen wurde.

Cat beschließt, den merkwürdigen Vorgängen nachzugehen und die ihr zugesteckte Adresse zu prüfen. Sie findet so zum “Temple House”, einer merkwürdigen Villa, in der sich unterschiedliche Personen zu einer seltsamen Lotterie treffen, der die vier Cat schon bekannten Kartenspieler als Königinnen und Könige vorstehen. Bei dieser Lotterie losen die Teilnehmenden in Form von Spielkarten um Preise und Strafen. Doch dabei geht es nicht allein um ein Stück Papier, denn die hier zu gewinnenden Karten, erwachen jenseits unserer Welt - im so genannten Arkanum - zum Leben. Und manchmal bringen sie eben auch den Tod. Vor allem dann, wenn man aus Versehen die Schwelle zwischen den beiden Welten übertritt. Cat übertritt eine solche Schwelle zufällig und ist ab sofort mitten drin im Spiel des Schicksals.

Sujet: Laura Powell entwirft mit ihrem Roman eine wunderbare, literarisch sehr anspruchsvolle Hommage an das Tarot-Spiel. Im “Spiel des Schicksals” wirft sie die fantastische These auf, dass die einzelnen Karten oder besser die mit ihnen verbundenen schicksalhaften Inhalte in einer parallelen Welt, dem Arkanum, unmittelbar gegenständlich werden. Dabei unterscheidet sie - in Anlehnung an den Kartensatz - grundsätzlich zwischen den 21 Trumpfkarten (dem großen Arkanum) als den eigentlichen zu erreichenden Preisen und den 52 Hofkarten (dem kleinen Arkanum), die die handelnden Personen stellen, beispielsweise den König oder die Königin der Kelche, der Münzen, der Schwerter oder der Stäbe. Die vier Höfe ringen in Powells Erzählung miteinander um die Oberhoheit im Arkanum, was nur zu erreichen ist, wenn ein einziger Hof sämtliche Trumpfkarten in die Hände bekommt. Dazu entsenden die Könige und Königinnen - sozusagen als kosmische Spielleiter - andere Spieler als Buben oder Ritter, um in den Besitz jener Karten zu gelangen.

Besonders umworben wird Cat von den vier Höfen, da sie nur zufällig in das Spiel geraten ist; damit also die Rolle eines Jokers (“Narren”) einnimmt, der das Spiel zunächst beobachten, jedoch nicht beeinflussen darf. In Powells Arkanum gibt es aber entgegen dem tatsächlichen Kartensatz mehr als nur einen solchen Joker, und bald lernt Cat mit Toby, Flora und Blaine die vier anderen Narren im Spiel sowie deren wahre Bedeutung kennen: Alle vier Narren zusammen sind in der Lage, die unendliche Lotterie im “Temple House” ein für allemal zu schließen, das Rad der Fortuna anzuhalten und somit das Schicksal zu befreien.

Figurenkarussell und Raumwechsel: Über den gesamten Roman hinweg hat der Leser Gelegenheit, die Hauptfiguren des Romans gut kennen zu lernen, wobei eine klare Konzentration auf Cat liegt. Weiß man zu Beginn nur, dass ihre Eltern ermordet worden sind, entwickelt sich über die Handlung hinweg immer deutlicher, dass dieser Mord ebenfalls mit dem Arkanum in Beziehung steht, sich der Täter dort noch immer unbehelligt und frei bewegt. Die Motivation, sich immer stärker auf das Spiel und die Risiken der Parallelwelt einzulassen, ist so erkennbar und glaubwürdig, ohne von Anfang an einem vergleichbaren Rache- oder Sühnetenor wie zum Beispiel in der “Harry Potter”-Reihe zu verfallen.

Ergänzt wird die ernste Cat von dem altklugen, doch liebenswerten Toby, der ein schier unerschöpfliches Wissen über das Arkanum anhäufen konnte, von Flora, deren hochmütige Art mangelndes Selbstbewusstsein verbergen soll, und von dem Obdachlosen Blaine, dem die Welt an manchen Tagen nicht mehr wert ist als ein gutes Frühstück mit Pfannkuchen. Doch auch die Antagonisten machen Freude, entdeckt zu werden. Der galante Alastor, König der Schwerter, macht es nicht nur Cat schwer, nicht gemocht zu werden. Ebenso ist der alternde Ahab, König der Stäbe, keineswegs unsympathisch. Odile, die Kelchkönigin, versprüht ungeahnt an jeder Stelle kühle Grandezza und Lucrezia, die Königin der Münzen, sanfte Würde. Allen vieren geht es natürlich um den persönlichen Machterhalt - allein, sie setzen auf Verführung, nicht auf Gewalt.

Gelungen ist Powell auch der stete Wechsel von “unserem” London ins Arkanum-London. Alle Gebäude, Plätze und Orte, die im hier und jetzt zu finden sind, erscheinen auch in der Parallelwelt, nehmen dort allerdings eine veränderte Gestalt an oder Funktion wahr. So erscheint das “Temple House” im Arkanum als prunkvolle Villa, ist tatsächlich aber heruntergekommen und verfallen. Am Piccadilly Circus weicht die Statue des Eros, der der Justitia; die Tafeln mit Werbeslogans sind Tafeln mit den Symbolen der vier Höfe gewichen (S. 232). Powell beschreibt diese Raumwechsel sehr bildreich und ermöglicht es so dem Leser, ihr in die Welt des Arkanums zu folgen und diese recht eindrücklich mit den Helden zu erleben.

Literarische Bezüge und sprachliche Besonderheit: “Das Spiel des Schicksals” ist keine seichte Kost und verlangt von seinen Lesern ein gewisses Maß an Interesse. Unbedingte Vorkenntnis zur Welt des Tarots ist nicht Bedingung, um den Roman zu verstehen. Aufmerksame Lektüre allerdings schon. Neben einer kurzen Einführung der beiden Kartensätze (großes und kleines Arkanum) sowie einer Nachbemerkung der Autorin zu ihren Quellen und deren belletristischer Verarbeitung, finden sich über den gesamten Text hinweg verschiedene Hinweise und Deutungsmuster zum Wesen von Schicksal, Bestimmung und Chance. So spielen die Fortuna-Motive der “Consolatio philosophiae” des Boëthius und der Topos vom Schicksalsrad aus dem “Codex Buranus” ebenso in Powells Roman ein wie Jorge Luis Borges’ “Lotterie in Babylon”.

Eine Herausforderung dürfte dabei die großzügige Übernahme lateinischer Zitate sein, die sich wahrscheinlich Powells eigentlicher Profession (sie ist Altphilologin) ebenso verdankt wie der Verzicht auf eine Übersetzung derselben. Bei der Übertragung des Romans ins Deutsche wäre hier - auch mit Blick auf den Jugendbuchcharakter - eine stellenweise Übersetzung günstig gewesen, doch trübt das den Lesespaß grundsätzlich nicht, da die Zitate mehr zur allgemeinen Stimmung beitragen als dass sie tatsächlich unverzichtbare Informationen beinhalten. Regnabo, regno, regnavi, sum sine regno…

Fazit: Wenn am Ende die vier Narren das Schicksal befreien und das Rad der Fortuna stürzen, bricht nicht nur das Arkanum, sondern die ganze Welt zusammen. Das offene Ende, in dem der Lord des Chaos (im Englischen der “Master of Misrule”) seinen Herrschaftsantritt verkündet, wäre sicher ungewöhnlich für einen Jugendroman gewesen, hätte aber gut zum schicksalhaften Sujet gepasst. Das Cat und ihre Freunde nun doch nicht im luftleeren Raum bleiben müssen, bricht das auf und bewegt auch Laura Powells “Spiel des Schicksals” einwenig in die Ecke formelhafter Fantasy. Aber eben auch nur ein wenig.

Empfehlung: Ein anspruchsvoller Fantasy-Roman der das Tarot sowie dessen gewaltige Symbolwelt literarisch ansprechend verarbeitet ohne für Okkultismus zu werben. Für Jugendliche ab 12 und Erwachsene gleichermaßen geeignet und unbedingt einen Blick wert.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von HSM.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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