Das Schloss. Nach Franz Kafka

Autor*in
Mairowitz, David Zane
ISBN
978-3-86873-638-0
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Svejdik, Jaromir
Seitenanzahl
144
Verlag
Knesebeck
Gattung
Comic
Ort
München
Jahr
2013
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Klassenlektüre
Preis
22,00 €
Bewertung
eingeschränkt empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Der Landvermesser K. kommt eines Abends in ein verschneites Dorf, um dort eine nicht näher definierte Arbeit zu verrichten. Über diesem Dorf, das in typisch kafkaesker Undurchdringlichkeit gezeichnet ist, thront ein Schloss, das nicht nur das Dorf selbst, sondern auch die Menschen die in ihm leben zu überragen und zu beherrschen scheint. So erfährt K., dass das Dorf gar keinen Landvermesser nötig habe und auch niemals gerufen hätte. Um diesen Irrtum aufzuklären, müsste K. ins Schloss gelangen...

Beurteilungstext

Franz Kafkas „Das Schloss“ gehört zu denjenigen Werken der Weltliteratur, die unvollendet geblieben sind. Dieser Status des Fragmentarischen und Bruchstückhaften hat viel Anlass zur Spekulation gegeben: Ist dieser Roman nur zufällig durch Kafkas Ableben oder Interessenverschiebung unvollendet geblieben, wie Max Brod nahelegt – oder ist es bewusster Gestaltungswille des Autors? Eine Lesart die v.a. Kafka-Kennern attraktiv erscheint. Denn damit würde das Fragment selbst zur ästhetischen Kategorie erhoben, die die generelle Unabschließbarkeit, Zerrissenheit und Prozessualität der fiktionalen Welt Kafkas treffend spiegeln würde.

Dabei ist die Geschichte selbst schnell umrissen: Der Landvermesser K. kommt eines Abends in ein verschneites Dorf, um dort eine nicht näher definierte Arbeit zu verrichten. Über diesem Dorf, das in typisch kafkaesker Undurchdringlichkeit gezeichnet ist, thront ein „Schloss“, das nicht nur das Dorf selbst, sondern auch die Menschen die in ihm leben zu überragen und zu beherrschen scheint. So erfährt K., dass das Dorf im Grunde keinen Landvermesser nötig habe und auch niemals gerufen hätte. Um diesen Irrtum aufzuklären, müsste K. ins Schloss gelangen – doch da wird er bis zum Ende des Romans niemals ankommen. Ganz im Gegenteil wird er sich im Laufe der Erzählung immer weiter von seinem ursprünglichen Ziel entfernen.

David Zane Mairowitz – Kafkas Co-Autor für diese Comic-Adaption – war für das Szenario und die Auswahl der relevanten Textstellen verantwortlich. Neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit hat er bereits mehrere Comicadaptionen von Kafkas Werken betreut – u.a. in Zusammenarbeit mit Comic-Größen wie Robert Crumb.
Auch Jaromír Švejdík – der für die 144 Illustrationen in „Das Schloss“ verantwortlich war - ist kein unbeschriebenes Blatt. Der tschechische Comic-Zeichner, Musiker, Maler und Sänger veröffentlichte bereits in Zusammenarbeit mit Jaroslav Rudiš die vielbeachtete Graphic-Novel-Reihe um „Alois Nebel“.

Die Frage ist, worin nun der Mehrwert dieser Comic-Adaption in Bezug auf die literarische Vorlage besteht, ohne einfach nur ein „weiteres“ Buch zu sein. „Das Schloss“ gilt als eines der gelungensten und zugleich beklemmendsten Werke Kafkas. Die unsichtbare Macht, die vom Schloss, seinen Bewohnern und nicht zuletzt auch von seinen dörflichen Handlangern ausgeübt wird, bleibt stets – wie üblich bei Kafka – ungreifbar. Der Landvermesser K. gleitet von einer Entscheidung in die nächste – als unabschließbare Negation seiner eigenen Urteile und Beschlüsse. Man spürt das Unheil, die Korruption, die Undurchsichtigkeit, das Unfassbare als befände man sich in einem Schattentheater gigantischen Ausmaßes. Und zweifellos ist es Jaromír mit seinen holzschnittartigen Illustrationen gelungen, genau dieses Schattenhafte in Bilder umzusetzen. Während andere Graphic Novels – gerade im Bereich der Adaption von Literatur – sehr detailreich und realistisch gearbeitet sind, ist diese Beschränkung auf das Rudimentäre und Angedeutete dem Erzählstil Kafkas sehr angemessen, und macht es auch auf Bildebene erfahrbar. Wie auch die Textvorlage Kafkas nur andeutet und unentwegt mehr verschweigt als sagt – so deuten auch die Bilder mehr an, als sie zeigen. Fast erinnert Jaromirs Stil an die Holzschnitte und Kupferstiche der Expressionisten um Lynd Ward, Frans Masereel oder Max Ernst.

An diesen Minimalismus im Stil der bildnerischen Gestaltung kann man sich sehr gut gewöhnen. Bereits vom ersten Bild an – der Landvermesser K. betritt über eine verschneite Brücke das Dorf – wird der Leser in diese undurchsichtige Welt wie in einen Sog hineingezogen. Es scheint keine angemessenere Möglichkeit der Darstellung zu geben. Andererseits ist der Rhythmus der Erzählung und die Panelübergänge – für die Mairowitz verantwortlich sein dürfte – durchaus problematisch zu bewerten.
Der Rhythmus der Erzählung ist gerade für eine Kafka-Erzählung viel zu hoch. Die Bildfolgen sind extrem weit gesetzt. Ständige Szenenwechsel und Handlungssprünge sind die Regel. Es hätte der Adaption durchaus gut getan, wenn man die Darstellung entweder auf 300 Seiten erweitert – oder aber den Plot Kafkas eingekürzt hätte.

Jaromír und Mairowitz schaffen eine nur teilweise gelungene Adaption, die zwar durch ihre expressionistische Schwarz-Weiß Bilder besticht und beeindruckt – in Bezug auf die Rekonstruktion der Story aber enttäuscht. Es ist nur schwer möglich, den Inhalt des Romans angemessen zu erfassen ohne zuvor Kafkas Original gelesen zu haben. Im Grunde müsste man dieses „Schloss“ eher als sehr dichte Illustration des Originals denn als Comic begreifen – nur dass dann große Teile des Textes verloren gegangen wären.

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Diese Rezension wurde verfasst von OWA.
Veröffentlicht am 01.01.2010