Das Mädchen und der Gotteskrieger

Autor*in
Balci, Güner Yasemin
ISBN
978-3-596-03551-9
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
318
Verlag
FISCHER Schatzinsel
Gattung
Erzählung/RomanTaschenbuch
Ort
Frankfurt
Jahr
2016
Lesealter
12-13 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
11,00 €
Bewertung
empfehlenswert

Teaser

Die 16jährige Nimet lebt mit ihrer Mutter und Schwester in einem liberalen türkischstämmigen Milieu in Berlin. Wie auch ihre Freundinnen beschäftigen sie vor allem ihr Aussehen, Jungs und die Schule. Da bekommt sie eine Nachricht von einem Jungen Saed, dessen Welt stark von islamistischen Vorstellungen geprägt ist. Nach und nach gelingt es ihm, sie immer mehr in den Bann seines absoluten Islam-Konzepts zu ziehen.

Beurteilungstext

Es beginnt damit, dass Nimet die Cousine ihrer besten Freundin Cayenne kennenlernt, die so ganz andere Vorstellungen vom Leben hat. Vor allem ihre starken, deutlich zur Schau getragenen religiösen Überzeugungen, die sich in der Flüchtlingshilfe sowie der Unterstützung muslimischer Familien in sozialen Krisen zeigt, beeindrucken Nimet tief. Als sich dann dieser unbekannte Junge Saed über Whatsapp bei ihr meldet, ist sie zwar ein wenig misstrauisch, aber auch sehr neugierig und fasziniert von seiner scheinbar so sanftmütigen, klugen und prinzipientreuen Art. Sie will ihm gefallen und auch „gottgefälliger“ leben. Ihr Profilbild bei Facebook zeigt nicht mehr sie selbst in bauchfreiem Top und Schmollmund, sondern es zeigt “ einen grüner Kreis, auf dem in weißen Buchstaben steht: Don’t be sad. Allah is with us.“ (S. 140)
Saed scheint auch sehr geduldig, verständnisvoll und überzeugend in seinen Argumenten zu sein. Sie fühlt sich in ihren Gedanken und auch den widerstreitenden Gefühlen (z.B. zu ihren getrennt lebenden Eltern, ihrer etwas überkandidelten Schwester) ernst genommen und erwachsen. Durch die starke Aufmerksamkeit und die starke Beeinflussung in Richtung auf ein richtiges Leben im Einklang mit Gott/Allah und seinen Geboten, die Nour und der nur virtuell existierende Saed ihr geben entfremdet sie sich immer mehr von ihrer Familie und ihren Freundinnen. Ihre Mutter ist verzweifelt, traurig und wütend zugleich: „Diese kühle schnippische Art ihrer Tochter machte sie verrückt, es schien überhaupt kein Herankommen mehr an Nimet zu geben. Nichts war geblieben von dem aufgeweckten Mädchen, mit dem sie am Wochenende […] Börek gemacht und sich über den neuesten Tratsch aus dem Viertel ausgetauscht hatte…“ (S. 226)
Nimet verlässt dann sowohl die Schule als auch ihr Elternhaus und wohnt bei Nour. Dann geht alles sehr schnell: Sie bekommt die Nachricht, dass Saed verletzt in Syrien im Krankenhaus liege und sie schnellstens zu ihm reisen müsse. Das tut sie in großer Sorge um den Geliebten. Diesen bekommt sie aber nie zu Gesicht, stattdessen landet sie in einer Wohnung des IS, streng überwacht, geschlagen und gedemütigt: „Noch nie hatte Nimet sich so verlassen gefühlt.“ (S. 275)
Schließlich gelingt ihr nach heimlichem Kontakt mit Zuhause die gefährliche Flucht aus Syrien.
Die Autorin Güner Yasemin Balci weiß, wovon sie hier erzählt: Selbst in Berlin-Neukölln geboren und aufgewachsen, arbeitete sie jahrelang mit arabisch- und türkischstämmigen Jugendlichen im Kiez. So ist sie vertraut mit den subkulturellen Codes, der Sprache und dem Alltagsleben der migrantischen Jugendlichen und ihrer Familien. Es gelingt ihr überzeugend und treffend, Nimets Geschichte fast dokumentarisch und zugleich spannend und glaubwürdig zu erzählen. Sowohl die Milieuschilderungen, wie auch die zügige Entwicklung von Nimets Radikalisierung im Sinne des Islamismus sind in der Darstellung plausibel. Zudem überzeugt die authentische Sprache – sowohl in den Dialogen und Gesprächen der Figuren, wie auch den inneren Monologen und Gedanken der Figuren, die breiten Raum
einnehmen.
Balci erzählt einerseits eine sehr persönliche und individuelle Geschichte, die zugleich aber auch als Warnung dienen soll vor der starken Kraft und perfiden Manipulationsfähigkeit des IS, um junge Mädchen auf ihrer Suche nach Orientierung und Anerkennung als „Dschihad-Braut“ zu gewinnen.
Was mir nicht gefällt, ist der reißerische Titel und der ihn noch verstärkende Klappentext: „Eine beeindruckende Reportage über den Weg eines Mädchens zur Dschihad-Braut“- so als wäre der Jugendroman eins zu eins als Bericht und als ein anschaulicher Beitrag zu einer aktuellen Diskussion zu lesen.(Prävention und Intervention - Jugendliche im Fokus salafistischer Propaganda).Zugleich erinnert der Titel an ältere Roman- und Filmtitel wie „Das Mädchen und der Kommissar“ oder „Das Mädchen und der Künstler“ und will damit signalisieren, dass der Text eben keine Doku ist, sondern (Jugend-) Literatur.

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Diese Rezension wurde verfasst von SRAn; Landesstelle: Hessen.
Veröffentlicht am 28.04.2018

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