Das Lamm, das kein Schaf sein wollte / L'agneau qui ne voulait pas être un mouton

Autor*in
Jean, Didier
ISBN
978-3-902984-31-9
Übersetzer*in
Millischer, Margret
Ori. Sprache
Französisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
40
Verlag
Edition Bernest
Gattung
BilderbuchBuch (gebunden)Sachliteratur
Ort
Wien
Jahr
2003
Lesealter
4-5 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Klassenlektüre
Preis
9,80 €
Bewertung
empfehlenswert

Teaser

Eine Schafherde lebt in Ruhe auf einer Weide, den Kopf gesenkt und Tag für Tag gemütlich grasend. Bis schließlich der Wolf auftaucht und Schafe reißt, eines nach dem anderen.

Beurteilungstext

Am Anfang dieses französisch-deutsch-sprachigen Bilderbuches stehen Unschuld und Sorglosigkeit, die typischen Charakterzüge, die Schafen in unseren Breitengraden zugeschrieben werden. Sie halten sich hartnäckig, auch noch, als erst ein schwaches, dann ein verkrüppeltes, dann ein schwarzes und dann ein Mutterschaf gerissen werden. Langsam beschleicht die Herde das Gefühl, dass es jeden treffen kann. Nicht nur die Schwachen. Oder ist es so, dass sie alle schwach sind? Jede*r auf ihre*seine Weise? Ein kleines Lamm kommt schließlich auf die Idee: es braucht einen Plan, die Schafe müssen handeln. Gemeinsam sind sie vielleicht doch nicht so schwach, wie sie denken.
Der Wolf seinerseits hat sich daran gewöhnt, dass die Schafe eine leichte Beute sind und ihm nichts entgegen zu setzen haben. Er wird also gar nicht aufmerksam, als eines Abends ein besonders kleines, scheinbar besonders schwaches Schaf ihm Grimassen schneidet, während die anderen Schafe wie gewohnt grasen, nur gesenktem Kopf. Aber nur zum Schein, denn diesmal überlisten sie ihn!
Das Bilderbuch ist so illustriert, als habe den breitflächigen Malereien eine strukturgebende Arbeitsfläche ungergelegen, die ein feinkörnigeses Muster in die grünlastigen Bilder hineinbringt, das an Leinwand erinnert. Der Wolf ist die meiste Zeit nur ein dunkler Schatten und somit eine unterschwellige Bedrohung, die man nie ganz klar sieht. Die Schafe hingegen werden interessant individuell dargestellt, zum Schluß, als sie sich endlich aktivieren, regelrecht klamaukig und energetisch.
Dennoch ist das Bild vom bösen Wolf und den braven Schäfchen zu Zeiten der Emanzipation, äh ich meine natürlich des Tierschutzes, eindeutig überholt! Viele Kinderbücher haben an dem großen und ehrenwerten Projekt, den Wolf als angeblichen Übeltäter zu retablieren und in ein besseres Licht zu stellen, Teil gehabt. Daneben kommt das Setting dieses Buches natürlich ziemlich konventionell und überholt daher. Dieser Umstand wird durch die Moralkeule, die es schwingt, eigentlich nur noch verstärkt, denn dem Bilderbuch ist der bekannte Gedichttext „Als die Nazis die Kommunisten holten, hab ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist“ von Pastor Niemöller angeschlossen, was es zum Schluss etwas zu konstruiert erscheinen lässt. Zugleich gibt der Titel bei allem Wortwitz schon den Hinweis, dass die Kleinen oft klüger sind als die Großen und vor allem mutiger. Nicht verwunderlich, wenn man recherchiert und erfährt, dass die französische Originalausgabe von amnesty international in einem Verlag mitherausgegeben wurde, dessen Bilderbücher besonders gern von Vor- und Grundschulen u.a. zur Textarbeit genutzt wird und mit viel online verfügbarem Material angereichert und vom französischen Bildungsministerium für den Unterrichtseinsatz empfohlen wird. Der klare Auftrag und die textuelle Geradlinigkeit lädt sicher dazu ein. Im Alltagsgebrauch sind jedoch genau dies die Punkte, die das Buch bald etwas fad erscheinen lassen.
[Julia Ritter]

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Diese Rezension wurde verfasst von juri; Landesstelle: Sachsen-Anhalt.
Veröffentlicht am 14.06.2019