Das geheimnisvolle Lächeln

Autor*in
NAPOLI, DONNA JO
ISBN
978-3-596-85378-6
Übersetzer*in
Braun, Anne
Ori. Sprache
Amerikanisches Engli
Illustrator*in
Seitenanzahl
366
Verlag
FISCHER Schatzinsel
Gattung
Ort
Frankfurt
Jahr
2009
Lesealter
12-13 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
14,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Das geheimnisvolle Lächeln der Mona Lisa ist bekannt, die Autorin beschreibt hier, wie es entstand. Eine junge Landadlige im Florenz des ausgehenden 15. Jahrhunderts wächst lebenslustig und selbstbewusst auf, lernt viel und könnte selbstständig die Seidenzucht des Vaters führen - wären nicht die Bandagen der Konventionen. Dagegen kämpft sie ihr Leben lang, verliert darüber den Geliebten und muss in eine Zwangsheirat einwilligen. Alles das zeigt Leonardo da Vinci in dem berühmten Porträt.

Beurteilungstext

Donna Jo Napoli stand - wie alle Autoren historischer Romane - vor dem Problem, ihre Figuren so zu zeigen, wie sie seinerzeit gedacht und entschieden haben, oder unser modernes Denken auf sie zu übertragen. Hier hat sie sich ganz eindeutig für die zweite Variante entschieden. So lernen wir ein junges, unabhängig denkendes und handelndes Mädchen aus der Renaissance kennen, wie es sie so wohl nie gegeben hat. Gleichzeitig aber erreicht Napoli damit, dass wir - und besonders junge LeserInnen - sehr schnell begreifen, in welchem Gegensatz Wünsche und Konventionen stehen können. Die gesellschaftlichen Hürden überspringt Lisa - anfangs nennt nur ihre Jugendliebe sie so - konsequent, nicht aber immer erfolgreich. Nur dass sie Silvia, ein Bauernmädchen, als Freundin behalten darf, erreicht sie wirklich. Alle weiteren Ausbrüche sind folgenlos, ihr Lebenstraum, den Mann ihrer Wahl heiraten zu dürfen, zerstiebt.
Kindersterblichkeit und Wochenbetttod waren zwei der Geißeln der Renaissance-Zeit. Da die jungen Witwer aber Mütter für ihre vielen Kinder brauchten, heirateten sie wieder und wieder, so dass sie als alte Männer schließlich junge Frauen freiten. Dieses Schicksal ist auch Lisa bestimmt, ebenso wie der Freundin Silvia, die mit einem Landarbeiter vermählt wird. Immerhin können die beiden Freundinnen durchsetzen, dass Silvia zuvor noch einmal an dem gesellschaftlichen Ereignis der Heirat Lisas teilnehmen darf - seinerzeit an sich eine Unmöglichkeit.
Die Liebe Lisas scheitert an der Politik, nur mühsam bekommt sie die notwendigen Informationen, denn Frauen werden von der Politik fern gehalten. Sie hat sich in einen der Medicis verliebt, er verspricht ihr die Heirat, muss aber dann die Stadt Florenz auf der Flucht vor der Gewaltherrschaft des Savonarola verlassen.
Immerhin aber beauftragt er noch Leonardo mit dem Porträt, für das der Jahre braucht.
Wer die Giconda nun wirklich war, weiß man nicht, erst kürzlich ist wieder eine neue These aufgestellt worden.
Donna Jo Napoli zeichnet hier immerhin eine plausible Skizze, die sowohl den Namen erklärt als auch das Geheimnis ihres Lächelns. Anerkennung!
Ein in sich stimmiges Bild des italienischen Stadtstaates um 15oo zeichnet sich beim Lesen ab. Die Figur und die Botschaft des fanatischen Savonarola erinnern lebhaft an die Vorstellungen der Taliban, die Reaktion des Florentiner Publikums wird nur am Rande beschreiben, aber deutlich wird, dass der Opportunismus immer schon Mode war, ebenso, dass auch seinerzeit Alternativen denkbar und umsetzbar waren.

Anders, als ich es aus den anderen Büchern Napolis kenne, erzählt hier eine sehr nüchterne, fast emotionslose Ich-Erzählerin - ob das vielleicht an der Übersetzung liegt? Ich weiß es nicht. Es gibt extreme Höhen und Tiefen im Leben des jungen Mädchens, der Leser kann das aber nur über die Information nachvollziehen - erst die Liebesgeschichte (angenehm knapp!) lässt das schriftstellerische Können der Autorin zu Tage treten. Aber das Erleben des Todes vieler nahe stehender Personen bleibt, nun ja, um es mit dem Modewort zu sagen: cool beschrieben.
Die einzige Ausnahme stellt ihr Verhältnis zu ihrem Ziegenbock dar: Dieses merkwürdige Haustier begleitet sie als frisch geborenes Schoßtier bis zu seinem Tode nach elf Jahren, schläft in ihrem Bett, springt und stört durch die gesamte Handlung - und alle Beteiligten finden sich mit dieser Marotte ab.
Nein, noch etwas wird geradezu empathisch beschrieben: Die Farben, mit denen ihr Vater die Seide färbt, die Farben, die die jungen Frauen tragen, die Farben der vielen Bilder, die eine wesentliche Rolle in dieser Florenz-Geschichte spielen und die Maler, deren Namen allesamt Geschichte geworden sind.

Deswegen schon alleine kann ich diese Buch allen empfehlen, die auch nur irgendeinen Zugang zur Welt der Bilder haben.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von cjh.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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