Das einzig wahre Einhorn
- Autor*in
- Endres, Brigitte
- ISBN
- 978-3-907114-32-2
- Übersetzer*in
- –
- Ori. Sprache
- –
- Illustrator*in
- Bräuning, Lotte
- Seitenanzahl
- 32
- Verlag
- Aracari
- Gattung
- BilderbuchBuch (gebunden)
- Ort
- Zürich
- Jahr
- 2023
- Preis
- 15,00 €
- Bewertung
Schlagwörter
Teaser
Ein seltsamer Zirkus bringt mit der Ankündigung, das einzig wahre Einhorn zu haben, eine kleine Stadt in große Aufregung. Sind anfangs bei den Bürgern eher Gefühle von Zweifel und Unsicherheit vorherrschend, so weicht dies rasch einer Begeisterung und einem gewissen Stolz, dieses Tier in der eigenen Stadt zu haben. Wäre da nicht der kleine Toni…
Beurteilungstext
Das Einhorn, bei Kindern allgegenwärtiges und höchst beliebtes Fabelwesen, ist vordergründig das Thema dieses Bilderbuches.
Was macht den besonderen Reiz eines Einhorns aus? Hier spielt sicherlich das magische Moment, verbunden mit dem Gefühl von Stärke, Unabhängigkeit und Freiheit, eine große Rolle. Wie bei allen magischen Wesen mag sich für viele Kinder die Frage stellen: Was ist, wenn es sie wirklich gibt? Der Titel „Das einzig wahre Einhorn“ verspricht eine Antwort auf diese Frage.
Auf 32 Seiten wird die Geschichte einer kleinen Stadt erzählt, die Besuch von einem sonderbaren Fremden bekommt. Auf dem Marktplatz baut er ein großes Zelt auf und lockt in Zirkusmanier die Menschen heran: „Kommt her! Seht euch das einzig wahre Einhorn an!“ Große Unsicherheit ist bei den Stadtbewohnern zu spüren. Da gibt es die Zweifelnden, die erklären, dass es doch keine Einhörner gäbe und auch die Vorsichtigen, die sich vor möglichen Gefahren scheuen. Aber die Neugierde hält alle in ihrem Bann.
Weil sich keiner der Bürger in das Zelt traut, soll der Polizeimeister zuerst hineingehen und berichten. Sein Bericht ist jedoch sehr unbefriedigend. Die Bürger erfahren nur, dass das Tier wohl nicht gefährlich und schwer zu beschreiben sei. Nun will auch der Bürgermeister nicht zurückstehen und wagt sich in das Zelt. Stolz erklärt er anschließend, dass es eine Ehre sei, das einzig wahre Einhorn in der Stadt beherbergen zu dürfen. Nach und nach gehen immer mehr Bürger hinein und beschreiben begeistert das Aussehen des Tieres, was aber je nach Besucher ganz unterschiedlich ausfällt. In der Stadt entsteht ein reges Geschäft rund um das Einhorn.
Toni, ein kleiner Junge, möchte auch gern das Tier sehen und wird von dem Fremden sogar umsonst in das Zelt gelassen. Aufgeregt betritt er dieses und sieht: nichts. Hier mag der kindliche Buchbetrachter ähnlich enttäuscht sein wie Toni, kündigt doch der Buchtitel "Das einzig wahre Einhorn" an. Was ist denn wahr? Irritiert muss der kleine Toni sogar die Beschimpfungen der Bürger erdulden, die ihn als „verlogenen Bengel“ bezeichnen, da er es wagt zu behaupten, er könne das Einhorn nicht sehen. Rettend greift nun der Fremde ein. Öffentlich erklärt er, dass nur Toni die Lüge erkannt hat, weil er von Grund auf ehrlich sei. Und mehr noch: Er bezichtigt sogar die Bürger, das Einhornlügentier erschaffen zu haben. Doch davon wollen sie nichts wissen. Wütend verjagen sie den Fremden und feiern sich als „ehrliche Leute ohne Fehl und Tadel“. Zufrieden mit sich beharren sie auf der Lügengeschichte und stellen vor dem Rathaus für die Lüge sogar ein Denkmal der Wahrheit auf…
Der junge Leser muss erkennen, dass eine Behauptung nicht dadurch wahr wird, dass viele Menschen sie verbreiten. Aber woran ist denn nun die Wahrheit zu erkennen? Das Buch verweist an dieser Stelle auf Toni, der nicht anderen, sondern sich selbst glaubt. Hier liegt die eigentliche Thematik des Buches: Es wendet sich gegen Leichtgläubigkeit und Mitläufertum.
Die detailreichen, farbigen Illustrationen gehen gekonnt über den Text hinaus. Auf dem Titelblatt sieht man viele Hausdächer, aus deren Schornsteinen Qualm in Form eines unscharf gezeichneten Einhorns steigt; so flüchtig und nicht greifbar, genau wie in der Geschichte. Bezeichnend ist ferner, dass der Fremde im ganzen Buch mit einer Sonnenbrille dargestellt wird. Erst als er Toni als einzig Ehrlichen der Menge vorstellt, legt er die Brille ab und schaut dem Jungen lächelnd tief in die Augen. Diese Darstellung lässt die Bedeutung des Moments erkennen: Hier ist endlich Vertrauenswürdiges!
Die Geschichte ist sicher keine „leichte Kost“ für Kinder, aber sie macht deutlich, wie wichtig es ist, sich eine eigene Meinung zu bilden und alles kritisch zu hinterfragen. Das Buch schließt mit dem bezeichnenden Satz: „Aber glaube nur einem kleinen Jungen, der Toni heißt!“ Und so einen Toni kann jeder in sich finden. Trau dir selbst!