Das dunkle Schweigen der Mädchen

Schlagwörter

• Emanzipation
• Spannung

Teaser

Damit junge Frauen die Macht, die sie über Ehemänner und Jungen haben, verlieren, werden sie ein Jahr in die Wildnis geschickt. Nicht alle kehren zurück und die, die zurückkehren, sind verändert, dürfen aber nicht über das Gnadenjahr sprechen.

Beurteilungstext

Tierney James ist 16 Jahre alt und damit gehört sie zu dem Jahrgang an Mädchen, die in diesem Jahr zu ihrem Gnadenjahr aufbrechen müssen. Sie werden zu einem Camp außerhalb der Stadt gebracht, um ihre Magie zu verlieren, die dafür verantwortlich sein soll, dass Männer in Versuchung geraten. Wurden die Mädchen zuvor von einem Jungen auserwählt und erhalten einen Schleier, werden sie nach ihrer Rückkehr - sofern sie zurückkehren - verheiratet. Die anderen werden als Mägde in Haushalten, auf den Feldern arbeiten oder im schlechtesten Fall in den Randbezirken verstoßen ein grausames Dasein fristen müssen. In der Wildnis sind die Mädchen auf sich allein gestellt, bedroht von den Wilderern, die auf sie Jagd machen, um mit ihrer Haut von ihrer Magie zu profitieren. Und auch die Mädchen selbst sind sich im Camp selbst am Nächsten, und anstatt zusammenzuhalten, machen sie sich gegenseitig das (Über-)Leben noch schwerer. Tierney verachtet dieses zutiefst patriarchalische System und fragt sich, warum die Frauen dies nicht erkennen und sich diesem System unhinterfragt unterwerfen. In ihren Träumen begegnet ihr ein Mädchen, dass gegen das System rebelliert und so findet sie die Kraft und den Mut, im Camp gegen die dort geltenden Gesetze zu verstoßen, begibt sich in größte Gefahr und findet dabei unglaubliches heraus.

Kim Liggett zeichnet eine düstere Welt, in der Frauen von Männern unterdrückt, gedemütigt, misshandelt und getötet werden und das alles durch einen Aberglauben legitimiert wird. Erschreckend brutal und drastisch schildert sie die weitreichenden Handlungen und Konsequenzen dieses Aberglaubens und schont ihre Leser*innen nicht. Ihr flüssiger Schreibstil, ihre bildreiche Sprache und ihre gekonnt eingesetzten Spannungsbögen machen diesen Roman zu einem echten Pageturner und zu einer Geschichte, die im Gedächtnis bleibt. Denn so weit entfernt ist die Rolle der Frau in ihrer fiktiven Stadt Garner Country nicht von der Realität, die patriarchalischen Strukturen sind nicht fremd, sondern lediglich sehr drastisch weiter gesponnen. Das Frauen aufgrund angeblicher magischer Fähigkeiten von Männern verbrannt und von anderen Frauen denunziert wurden, ist tatsächlich passiert und wurde ebenfalls von Instituten wie der Kirche legitimiert. Doch in all der Düsternis und Hoffnungslosigkeit hat die Autorin eine Hauptfigur geschaffen, die sich nicht beugen will und die gegen die herrschenden Umstände rebelliert. Die Geschichte ist aus Sicht der Hauptprotagonistin in der Ich-Perspektive geschrieben und ermöglicht es Leser*innen so, nah dran an der Gefühlswelt von Tierney zu sein, mit ihr zu leiden, zu hoffen, zu rebellieren und zu lieben.
Insgesamt ist "Das dunkle Schweigen der Mädchen" keine leichte Kost, liest sich jedoch flüssig, spannend und zeigt, dass Veränderungen immer möglich sind, auch wenn sie noch so klein anfangen.