Cleanland

Autor*in
Schäuble, Martin
ISBN
978-3-7373-4257-5
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
195
Verlag
MeyersDuden
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/Roman
Ort
Frankfurt/Main
Jahr
2020
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
14,00 €
Bewertung
empfehlenswert

Teaser

Auf Grund einer zurückliegenden "Großen Pandemie" unterwirft sich eine Großstadt einer Gesundheitsdiktatur. Anhand von zwei Jugendlichen werden die Grenzen dieses Systems aufgezeigt. "Für die Verwendung in der Schule ist unter http://www.fischerverlage.de/verlag/lehrerportal ein Unterrichtsmodell...abrufbar."

Beurteilungstext

„Kontrolle dient der Gesundheit“ lautet eines der fünf Gesetzte in Cleanland. Cleanland, das Land der Reinen und Gesunden. Wahrscheinlich 40 oder 50 Jahre nach der sog. Großen Pandemie hat ein Land absolut dichtgemacht: Cleanland. Alle anderen Länder werden abschätzig „Sicklands“ genannt. Cleanland! Hier wohnt die 15-jährige Schilo mit ihrer registrierten Freundin Samira. Sie kennen es nicht anders als immer und überall einen Ganzkörperschutzanzug und ein Gesichtsvisier zu tragen, ebenso den Controller, eine Art Smartwatch, am Handgelenk bei sich zu haben, der alle Daten zeitnah allen und vor allem dem Ministerium für Reinheit übermittelt. Will man joggen, muss man die Wegstrecke vorab buchen. Überall stehen kostenfreie Desinfektionsboxen bereit und nachts besprühen Drohnen ganz Cleanland mit einem Film von Desinfektionsmitteln. Sog. Cleaner reinigen nachts die Wohnungen, während die Bewohner mit Hilfe einer Tablette tief schlafen.
Schilo wohnt zusammen mit ihrer Mutter, die im Ministerium arbeitet und ihrer Großmutter in einem Hochhaus. Allerdings ist die Großmutter in einem abgeteilten und gesicherten Raum isoliert, dem Saferoom, denn sie gehört auf Grund ihres Alters zur Risikogruppe und darf diesen Raum lebenslänglich nicht mehr verlassen. Während ihre Mutter die fünf Gesetzte der absoluten Reinheit (GaR) sehr ernst nimmt und ihre Tochter kontrolliert, sieht Samira und ihre Familie alles etwas lockerer. Schilo bewundert Samira manchmal dafür und fühlt sich in Samiras Familie wohl. Doch sie darf und kann sich nicht so frei bewegen.
Als Schilo nachts den neuen Cleaner Toko kennenlernt, realisiert sie die absolute Kontrolle des Ministeriums. Und als ihre Freundin von den Behörden in die Motivation Academy gebracht wird, um sie wieder auf die „richtige Gedankenwelle“ zu bringen, bricht Schilo ebenfalls aus der Kontrolle aus und schließt sich einer Art Untergrundbewegung an.
Der Autor hat eine erschreckende Welt geschaffen, deren Einzelelemente uns im Jahr 2020 und wahrscheinlich noch 2021 bedrückend bekannt vorkommen. Auch wir tragen Schutzmasken vor dem Gesicht, erleben einen teilweise kompletten Lockdown aller Geschäfte und kulturellen Einrichtungen. Wir kennen ebenso Homeschooling und sollen auf Hygiene und Abstand achten. Allerdings liegt bei uns ein konkreter Fall vor. In Cleanland gibt es nur noch die Erinnerung an die Große Pandemie. Ob diese Erreger noch vorhanden sind, erfährt man nicht. Nur ein riesiger Friedhof erinnert an die Toten von damals. Trotzdem tragen alle Tag und Nacht einen Ganzkörperschutzanzug. So kann eigentlich kein Sonnenlicht die Haut berühren und die Frage wie das lebensnotwendige Vitamin D erzeugt werden könnte, wird nicht angesprochen. Auch das ständige Übersprühen von Pflanzen und Tieren mit Desinfektionsmitteln wird als harmlos dargestellt. Der Autor erwähnt zwar kurz, dass nur Erreger und Mückenschwärme damit abgetötet werden, aber dieser ständige Film über Pflanzen und Tieren müsste irgendwann doch schädlich werden. Da der Roman aus Schilos Sicht erzählt wird, erfahren wir auch nichts darüber. Hier hätte der Autor aber der kritisch eingestellten Samira doch einige Fragesätze oder Anklagen diesbezüglich in den Mund legen können. Nur einmal sagt sie: „Wenn was krank macht, dann die GaR!“ (S. 15).
Mit einer spannenden Szene beginnt der dystopische Roman, schildert ausführlich und sehr glaubhaft die Gesellschaftsstruktur, lässt die handelnden Figuren lebendig werden und ermöglicht uns einen Blick in ihr Seelenleben. Leider ändert sich dies im Verlauf des Romans. Schilos Welt bleibt fragmentarisch, Park und Wald sind nur Schablonen. Dabei wären hier Gespräche mit Samira über die Gesellschaft, über die Pandemie von damals, über die Natur, usw. so wichtig. Denn dann würde das erzählte Gerippe zu einem lebendigen Kosmos. Und als Schilo den neuen Cleaner kennenlernt, wird verstärkt Wert auf Spannung gelegt. Diese Kunst beherrscht der Autor perfekt. Doch so bleiben manche Empfindungen oder Gedanken, die zu Handlungen werden, im Ansatz hängen. Fast könnte man meinen, dem Autor sei die Zeit davongelaufen. Der Abgabezeitpunkt für den Roman scheint sehr nahe gerückt zu sein. Hätte Martin Schäuble die Tiefe des Erzählens vom Anfang beibehalten und bis zum Ende durchgezogen, so wäre der Roman zwar doppelt so dick geworden, aber er hätte an Niveau dazugewonnen. Schade eigentlich. Denn es ist ein wichtiger Roman mit einem wichtigen Thema in einer bedrückend realen Situation. Wahrscheinlich sollte das Buch rechtzeitig vor Weihnachten auf dem Markt erscheinen. Das erste Buch über Corona! So weist das Cover mit dem Mädchenkopf als Scherenschnitt und der Mund-Nasen-Bedeckung und den umher schwirrenden Viren jedenfalls eindeutig auf unsere gegenwärtige Situation. Allerdings sind im Buch die Einschränkungen viel massiver und in unserer demokratischen Gesellschaft nicht denk- und vorstellbar. Dennoch könnte es von manchen Verschwörungstheoretikern missverstanden werden wollen.
So ist es gut, dass der Verlag ein fundiertes Unterrichtsmodell kostenfrei ins Internet gestellt hat. Diskussionen zu diesem Thema sollen und müssen sein. Und selbst bei fragwürdigen und scheinbar nicht zu Ende durchdachten Szenen im Roman, ist dieses Buch ein wichtiger Beitrag, das das Denken anstoßen kann.
Gleichzeitig ist es aber auch ein Roman über ein gestörtes Mutter-Tochter-Verhältnis, was sich wie ein roter Faden durch die Erzählung zieht. Die Mutter sorgt sich um ihre Tochter, versteht sie aber an zwei wichtigen Stellen in der Handlung. Hier hätte man vielleicht die Mutter etwas deutlicher zu Wort kommen lassen sollen, auch wenn alles aus der Sicht von Schilo erzählt wird. Trotzdem sollte man diesen Erzählstrang nicht vergessen.
Übrigens: Irgendwie erinnert die Szene - Schilo holt ihre Freundin aus der Hölle der Motivation Academy - an Orpheus und Eurydike. Selbst wenn nicht gewollt, sollte man mal darüber nachdenken.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von WaMi; Landesstelle: Bayern.
Veröffentlicht am 02.01.2021

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