Bruno will hoch hinaus

Autor*in
Ziegelwanger, SabineStaffelmayr, Flo
ISBN
978-3-903408-01-2
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Horak, Anna
Seitenanzahl
32
Verlag
Achse Verlag
Gattung
BilderbuchBuch (gebunden)Sachliteratur
Ort
Wien
Jahr
2022
Lesealter
4-5 Jahre6-7 Jahre8-9 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiFreizeitlektüreVorlesen
Preis
22,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Bruno nimmt in diesem gendersensiblen Aufklärungsbuch, das sich vorrangig an Kinder mit Penis und Hoden richtet, die Leser*innen auf eine Entdeckungsreise entlang seines eigenen Körpers mit, während er gleichzeitig eine Rakete baut und eine Expedition ins Weltall plant.

Beurteilungstext

Die Rakete als Synonym für den Penis zieht sich sowohl grafisch als auch thematisch durch die Story, die für mich auf den ersten Blick ein wenig konstruiert wirkt.
Im Vorwort wird darauf hingewiesen, dass Penis und Hoden bislang wenig Aufmerksamkeit in der Kinderliteratur geschenkt wurde und dass dieses Buch sich zum Ziel gesetzt hat, mit gesellschaftlichen Stereotypen und toxischen Männlichkeitsbildern rund um den physisch dann doch sehr verletzlichen „Phallus“ zu brechen. Und das gelingt ihm auch außerordentlich gut! In Brunos Kinderzimmer finden sich sowohl vermeintlich männlich als auch weiblich attribuierte Spielsachen/Kleidung und ich finde es schön zu sehen, wie akribisch hier darauf geachtet wurde, eben keine unterschwelligen Geschlechterstereotype abzubilden.
Auf den großflächig bunt illustrierten Doppelseiten gibt es immer wieder Infoboxen, die sich im Schriftstil vom Haupttext unterscheiden. Dort geht es um Themen wie Beschneidung, Toilettengänge, Hygiene, (Gender-)Diversität, Erektion, aber auch um die anatomisch detaillierte Darstellung des Nicht-Sichtbaren im Inneren des Körpers/Hodens/Penis. Was genau es mit dem Raketenbau-Projekt von Bruno auf sich hat, will sich mir als erwachsener Person nicht so ganz erschließen, aber vielleicht lässt sich auf gestalterischer/kompositioneller Ebene an diesem Vorhaben ganz gut eine Umwelt illustrieren, in der Rollenklischees endlich mal bewusst nicht bedient werden? So will Brunos Vater ihn z.B. beim Raketenbau unterstützen und führt ihn zu einer erwachsenen weiblich gelesenen Freund*in of Colour, die Brunos Rakete in ihrer Werkstatt im Nu zusammenschweißt, während er (der Vater) vor dem Schweißen regelrecht Angst zu haben scheint.
Was mir besonders gut gefällt, ist, dass hier Geschlechterklischees nicht einfach nur umgedreht wurden, sondern bei mir der Eindruck entsteht, dass Gender und äußere Geschlechtsmerkmale wirklich konsequent „auseinandergedacht“ werden. So ist Bruno ein begeisterter Fußballspieler und interessiert sich offenbar für Raumfahrt, hat aber auch eine pinke Federboa und einen Tüllrock in seinem Zimmer liegen. Obwohl es sich also offensichtlich um ein Kind mit Penis, Hoden und männlich konnotiertem Namen dreht, wird deutlich, dass sich daraus nicht zwangsläufig später ein Mann entwicklen muss. Passend dazu sind auf einer Doppelseite die Teammitglieder seines Fußballteams als Kinder und darunter als spätere Erwachsene nackt in Duschkabinen abgebildet und auch hier strotzen die Darstellungen nur so vor Diversität und Body-Positivity.
Am Ende der Geschichte steht dann tatsächlich Brunos Raumfahrt im Mittelpunkt – die in einem Haufen aus Kuscheltieren sanft endet.
Stilistisch unterscheiden sich die Doppelseiten mitunter stark voneinander. Manche Seiten bieten den Leser*innen einen visuellen Fokus (und trotzdem gibt es auch auf ihnen viel zu entdecken), andere sind für meinen Geschmack ein bisschen zu vollgepackt. So wurde z.B. für die Infoboxen ein eher filigraner Schriftschnitt ausgewählt, sodass diese dadurch optisch stark zurücktreten. Mitten im Buch taucht ein kurzer Comicstrip auf, davor und danach reihen sich aber 4 Einzelseiten aneinander, bei denen es keine Anschlüsse der vollflächig bebilderten Seiten untereinander gibt. Die Illustrationen scheinen per Hand mit Bunt- bzw. Aquarellstiften gezeichnet worden zu sein und gefallen mir an sich sehr gut, aber auf manchen Seiten verändert sich der Zeichenstil bezüglich Linienstärke, Deckungsgrad und Duktus ziemlich abrupt und ohne erkennbaren Grund. Auch die Hauptfigur Bruno variiert stark in der Darstellung. Mal hat er weiße Lichtreflexe im schwarzen Haar, mal sind sie wieder verschwunden und auch seine Hautfarbe verändert sich im Laufe des Buches. Insgesamt erinnern mich einige grafische Elemente (wie die stark vergrößerten Augen und die Lichreflexe im Haar) an Manga´s und Anime und der hier (bewusst oder unbewusst) praktizierte Stilmix überzeugt mich nicht zu 100%.
Meiner Meinung nach verfolgt dieses Buch zwei Storylines – zum einen Brunos körperliche Entdeckungstour, zum anderen sein Raumfahrtprojekt – das hat mich am Anfang irritiert. Trotzdem kann das Buch als Ganzes gut funktionieren, wie Erfahrungen in meinem persönlichen Umfeld gezeigt haben. Finally bin ich dankbar für dieses achtsam und liebevoll konzipierte Buch, anhand dessen sich sehr gut miteinander ins Gespräch kommen lässt. Einlassen lohnt sich!

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Diese Rezension wurde verfasst von nico; Landesstelle: Sachsen-Anhalt.
Veröffentlicht am 31.03.2023

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