Bis ins Koma

Autor*in
Blobel, Brigitte
ISBN
978-3-570-13513-6
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
284
Verlag
Gattung
Ort
München
Jahr
2010
Lesealter
12-13 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
12,99 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Wenn man das von einem 15/16-Jährigen sagen kann, ist Marvin Quartalssäufer. Noch geht es in der Schule gut, die Eltern haben sich vor Jahren getrennt und dass die Mutter ihn als Ersatzbeziehung nutzt, wird ihm so langsam klar. Auf der Suche nach Neuem bewirbt er sich im TV-Geschäft, bekommt die Nebenrolle einer Soap. Die Versuchungen werden groß, so groß, dass er gnadenlos abstürzt. Er hat Glück, seine neue Freundin gibt ihn nicht auf und der Vater knüpft die Beziehung zu ihm wieder an.

Beurteilungstext

Im ersten Absatz steht: Alles fängt klein an. Das könnte das Motto dieses Jugendromans sein, der die inzwischen ziemlich antiquierte Schullektüre ”Hau ab , du Flasche” gut ersetzen könnte (sicherlich nicht zufälligerweise ähnelt das Coverfoto dem des alten Rotfuchs-Bändchens auffällig). Blobel lässt die Geschichte des Marvin langsam anlaufen. Das Drama seiner Eltern wird erst nach und nach aufgeblättert, die Handlungsstränge seiner Blindheit gegenüber dem Nachbarmädchen, das ihn anhimmelt und ihn damit nur nervt (erst spät erkennt er, dass sie eigentlich doch ganz gut zusammen passen) und der Filmgeschichte mit der Eigendynamik der TV-Industrie sind ineinander verschränkt, so dass die Spannung gesteigert wird. Parallel dazu erzählt die Autorin die Geschichte der Clique um Marvin, die typischen Jugendtrinker, die sich an der Getränkebude treffen, abends einen draufmachen und genervt reagieren, als die unermüdlich um Marvin werbende Miranda sich anhängt, obwohl sie erklärte Antialkoholikerin ist: “Bully hat die Abendplanung übernommen. Recherchiert, wo die beste Party abgeht, wie sie in kürzester Zeit den größtmöglichen Spaß haben können. Alles wunderbar.
Bis auf die Tatsache, dass sie jetzt ein Mädchen dabeihaben...(das) klettet, als wüsste sie nicht, dass Jungs andere Wesen sind. Dass Jungs zum Beispiel gern mit einer Bierflasche in der Hand in die U-Bahn steigen. Weil das zurzeit angesagt ist. Alle coolen Typen haben abends eine Bierflasche in der Hand, wenn sie Party machen. Eine Bierflasche an den Lippen ist cooler als ein Handy am Ohr. Und macht mehr Spaß. Und das war die Ansage für diesen Abend: Sie wollen es krachen lassen. Sie wollen genauso viel Spaß haben wie die anderen. Miranda hin oder her.” (S.125) Auch für Marvin hat eine Miranda zu diesem Zeitpunkt keinen Platz in seinem Plan.
Die erste Aufführung seines Films ist ein Familienfest, er bleibt in der Disco danach nicht unerkannt und eine neue Freundin hängt sich an ihn - später verschwindet sie spurlos. Aber er brauchte sie wohl als Katalysator, erst danach erkennt er, dass Miranda doch ganz gut ist. Das hindert ihn nicht daran, wieder abzustürzen, diesmal wäre es beinahe der endgültige Absturz gewesen (und mit seinen 4,3 Prozent hat die Autorin wahrhaft sehr hoch gegriffen). Immerhin hat Miranda so vorgesorgt, dass Marvin jetzt zum Strohhalm der Antialkoholiker greift, man kann nur hoffen, dass er auch durchhält.

Anders als im oben erwähnten Alt-Jugendbuch geht Blobel hier ohne Dampfhammer-Pädagogik vor. Es bleibt viel Raum für Gedanken und Erklärungen, die Eltern sind nicht einfach blind und dumm, sondern sie haben handfeste Probleme, die in einigermaßen sinnvolle Bahnen gelenkt werden und sie machen nur einen kleinen Teil von Marvins Motivation aus, das Hauptmotiv seines Alkoholismus ist Gedankenlosigkeit; das lässt sich noch am ehesten in den Griff kriegen.
Die Geschichte um die Jungenclique läßt vermuten, dass es sich um ein reines Jungenbuch handelte, aber auch Mädchen finden ihre Anknüpfungspunkte: Die anfangs schwärmerische Miranda, die den Jungen einfach nur anhimmelt, wird zu einer im wahrsten Sinne nüchternen Partnerin, die exaltierte Bine ist die dimensionslose Coole, die wie ein Geist aus der Flasche auftaucht und wieder verschwindet, ein Vorbild an Bindungslosigkeit und so Mirandas Gegenbild, selbst die Mutter zeigt in ihrer Selbstbeschränkung auf ihren Sohn ein nicht seltenes Frauenbild, das dann aber auch wieder aufgebrochen wird, als sie einen selbst für Marvin nicht unsympathischen Freund findet.
Es werden keine Lebenshilfen aufgelistet, keine Rezepte empfohlen, alleine Mirandas Beharrlichkeit zeigt Marvin einen Ausweg, den der nur sehen kann, weil es nach seinem finalen Absturz sonst keine Alternative mehr gibt. cjh11.8

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von cjh.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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