Berichte aus der Ukraine. Tagebuch einer Invasion

Autor*in
Igort,
ISBN
978-3-95640-357-6
Übersetzer*in
Alfano, Myriam
Ori. Sprache
Italienisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
200
Verlag
Reprodukt
Gattung
ComicSachliteraturTaschenbuch
Ort
Berlin
Jahr
2023
Lesealter
16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
26,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Der italienische Zeichner Igort stellt in diesem Comic die Grausamkeit des Krieges in der Ukraine eindrücklich dar, indem er einerseits einfache Menschen zu Wort kommen lässt, andererseits Rechercheergebnisse zu den politischen und historischen Hintergründen einfließen lässt.

Beurteilungstext

Igort ist ein italienischer Comiczeichner, der selbst 2008 und 2009 zwei Jahre in der Ukraine gelebt hat. Ausgehend von der Ermordung von Anna Politkowskaja schrieb er zunächst „Berichte aus Russland – Der vergessene Krieg im Kaukasus“, dann den ersten Band von „Berichte aus der Ukraine – Erinnerungen an die Zeit der UdSSR“, wo er die Invasion 2014 aufgreift. Es war nur logisch, nach dem Beginn des Krieges einen zweiten Band zur Ukraine folgen zu lassen, wobei die italienische Fassung schon im Oktober 2022 als Vorabdruck in der „Republica“ erschien. Dieses Mal stellt Igort das Land ausgehend von verschiedensten Zeitzeugenberichten dar, die er von seinen Bekannten per Telefon oder Messenger erhalten hat. Diese Beispiele von Menschen verschiedenster Gesellschaftsschichten bilden die Grundlage seines Comics: Sie zeigen die Auswirkungen auf das Leben von Individuen, ihre Ängste, Trauer und Wut. Kleine Alltagssituationen zeigen, wie sie selbst sich verändern, weil sie den Kampf um das Überleben durchstehen müssen. Dabei folgen die Darstellungen einem Kalender, der vom ersten bis zum 98. Tag der Invasion reicht.
Ergänzt werden diese persönlichen Erlebnisse durch Recherchen über die Hintergründe, etwa über den Holodomor, die Hungersnot in den 1930er Jahren, bei der die Sowjetführung bis zu 7 Millionen Ukrainer*innen verhungern ließ. Aber auch die Situation der russischen, meist jugendlichen Soldaten wird einfühlsam dargestellt. Differenziert erklärt er aber auch die Vorwürfe des „Faschismus“, die von der heutigen Putin-Administration erhoben wird: Wie in anderen östlichen Staaten auch, befanden sich die Ukrainer*innen in den 30er Jahren zwischen den Fronten und kehrten sich aus Aversion gegen die Diktatur in der Sowjetunion hin zu den deutschen Faschisten, die ihnen aber auch keine Unterstützung gewährten. Einzelne neonazistische Gruppierungen, wie das Asow-Regiment, greifen diese unrühmliche Vergangenheit in der Tat positiv auf und vertreten heute noch faschistische Ideologien. Dass Igort dieses Thema in einem Comic aufgreift, ist ihm hoch anzurechnen, macht aber auch die Komplexität des Comics aus, der sich sicher nur für Jugendliche ab 16 Jahren eignet. Auch die dargestellte Düsternis, die nicht beschönigt wird, spricht dafür, den Comic nicht jüngeren Leser*innen zu geben. Dabei ist zu betonen, dass es Igort an keiner Stelle darum geht, Grausamkeit zur Schau zu stellen. Als er z.B. die Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Butscha darstellt, zeigt er die grauenhaften Verstümmelungen der Menschen durch die russischen Soldaten nicht bildlich, sondern gibt sie nur mit Worten wieder. Immer wieder finden sich ganze Seiten reiner Text, die Bilder sind einer düstern schwarz-braunen oder seltener schwarz-blauen Farbe gehalten und orientieren sich an Photos von Kriegsberichterstattern. Immer wieder finden sich völlig schwarze Pannels, die von Explosionen erhellt werden. „Wenn dein eigener Verstand sich schon weigert, das Gehörte und Gelesene zu akzptieren, wie sollen es dann die schaffen, die in diesem Alptraum gefangen sind?“ – so schreibt Igort auf dem Klappentext. Sein Comic ist ein Versuch, diesen Alptraum visuell darzustellen und dieser Versuch ist gelungen.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von RPAK; Landesstelle: Rheinland-Pfalz.
Veröffentlicht am 24.05.2023