Auf immer und ewig

Autor*in
Steenfatt, Margret
ISBN
978-3-499-21530-8
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
238
Verlag
Rowohlt
Gattung
Ort
Reinbek
Jahr
2010
Lesealter
12-13 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
6,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Nike und Nathan sind seit der Kindheit befreundet. Mit 13 ändert sich das und sie werden ein Liebespaar. Ihr Problem ist nur, dass sie im Hamburg des Jahres 1940 leben und Nathan Jude ist. Der staatliche Antisemitismus drängt sich zwischen sie, die Eltern versuchen, sie davor zu schützen, aber Nachbarn, Schule, Gesellschaft und die neuen Gesetze werden immer bedrohlicher. 1941 wird Nathans Familie deportiert, Nike will einfach mitfahren - sie büßt das mit dem Leben.

Beurteilungstext

Margret Steenfatt erzählt auktorial, bleibt aber eng an der Perspektive der heranwachsenden Nike. So entsteht die zum Teil sehr naive Sicht auf das Naziregime, vor lauter Blauäugigkeit nimmt Nike wenig von der Bedrohung wahr. Die beiden Kinder leben eigentlich ihre Kindheit fort, in der sie mit dem gemeinsamen Freund Paul Streiche ausheckten, die immer knapp an der Grenze dessen standen, was gerade noch als Grober Unfug durchgehen könnte. Diese gemeinsame Erfahrung bindet sie aneinander, auch lange noch, als Paul, der - etwas dummer als die beiden - immer gut gelaunt war, sehr ernsthaft wird und der HJ beitritt. Einerseits spürt er den Druck der Nazis, andererseits durchschaut er deren Machenschaften nicht und verzichtet lieber auf seine alten Freunde. Vollends zum Bruch kommt es, als Paul den Bogen seiner Streiche überspannt und die Schuld dem nicht beteiligten Nathan zuweist: Juden werden doch sowieso von der Polizei schlecht behandelt, da kommt es darauf doch nicht mehr an. Anders reagiert die empathische, pubertär überreagierende Nike. Fassungslos erkennt sie das kriminelle und gewalttätige Potential der Nazis und das Wegsehen der Hamburger Gesellschaft.
Kleine Szenen zeigen die Differenziertheit der Autorin, die zwar immer die naive Sicht der Protagonisten beibehält, aber wenig eindeutige Feinde beschreibt. So entpuppt sich ausgerechnet der Blockwart, der die Streiche der Kinder sofort immer Eltern und Polizei anzeigt, als überzeugter Kriegsgegner und warnt Nathans Eltern vor der drohenden Deportation.
Aber vergebens. Längst sind die jüdischen Familien hier mittellos und der Gewaltherrschaft völlig ausgeliefert. Für uns Spätgeborene ist es nahezu unverständlich, wie bereitwillig die Juden den Befehlen gehorchten und sich brav den Deportationsterminen beugten. Fast alle ahnten, wohin es geht. Aber alle hatten auch über Jahre hinweg hautnah mitbekommen, wie sich die Schlinge um ihren Hals immer enger zuzog, so dass sie letztlich keinen Ausweg mehr sahen.
Nike bekommt das alles sehr genau mit. Alle Versuche ihrer Eltern, jede Debatte zu unterbinden, alles Problematische von ihr fernzuhalten, nützen nichts. Mutig und naiv unterwandert sie Ge- und Verbote, macht mit ihrem Freund Dinge, die ein reiferer Mensch längst nicht mehr gemacht hätte. So ist ihre Wahnsinnsidee, mit dem geliebten Freund (sie ist 13!) einfach mit auf den letzten Transport zu gehen, nur mit ihrer überschäumenden Pubertät zu erklären - aber in sich eine logische Handlung und zum Scheitern verurteilt.

Steenfatts Bild des Nazideutschlands ist kein objektives. Sie zeigt es durch die Augen des jungen Mädchens, das Vieles nicht wahr nimmt, dann aber um so entsetzter reagiert, wenn sie die Reaktion der Nazis erleben muss. Aber sie nimmt auch wahr, dass es immer auch andere Menschen gibt, einen jungen Polizisten, der das perfide Intrigenspiel des Paul einfach auflaufen lässt, den Blockwart, der jedem Bild dieser Berufsdenunzianten widerspricht.
So ist, trotz der gefilterten Sicht des Mädchens, ein sehr differenziertes Bild des 3. Reichs entstanden, eines, mit dem sich junge Leser viel leichter auseinander setzen können als mit politisch korrekten Monumentalgemälden.

Die rührende, anrührende Liebesgeschichte zeigt zudem, wie weit von der Liebe verblendete Menschen gehen können.

Details dieses kleinen Romans zeigen, dass Steenfatt sehr sorgfältig recherchiert hat. Nur im Nebenbei schreibt sie, dass das grässliche Lied “Es zittern die morschen Knochen” von Hans Baumann ist. Nach dem Krieg hat dieser Baumann hervorragende Kinderbücher geschrieben (Der Sohn des Columbus; Der rote Pull etc.), von seiner Nazivergangenheit hörte man nichts.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von cjh.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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