Atlas der Fabelwesen

Autor*in
Lawrence, Sandra
ISBN
978-3-7913-7350-8
Übersetzer*in
Harms-Nicolai, Marianne
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Hill, Stuart
Seitenanzahl
64
Verlag
Prestel
Gattung
Buch (gebunden)Fantastik
Ort
München
Jahr
2018
Lesealter
4-5 Jahre6-7 Jahre8-9 Jahre10-11 Jahre12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
24,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Die Bibliothekarin Ruth Briggs findet ein antikes Manuskript: Die Aufzeichnungen eines Cornelius Walters, der beschreibt, wie er 1563 zu einer Weltumsegelung aufgebrochen ist, um nach Fabelwesen in allen Erdteilen zu suchen. Seine vermeintlichen Entdeckungen bilden den vorliegenden "Atlas der Fabelwesen". Briggs zweifelt an der Echtheit des Dokuments, bis sie eine Nachricht in einer Geheimschrift erhält, eine Warnung aus der Welt der Fabelwesen.
Sollte Walters doch die Wesen gesehen haben?

Beurteilungstext

"Der Atlas der Fabelwesen" mit Texten von Sandra Lawrence und Illustrationen von Stuart Hill ist eine wunderbare Sammlung von "Sagen, Legenden und Mythen aus aller Welt", so kündigt es das Titelblatt an. Der Titel hält in vollem Maße, was er verspricht, und bietet ein Füllhorn an Entdeckungen:
Autorin und Illustrator haben sämtliche fabelhafte Wesen, Monster, Geister, Drachen und Dämonen aus der ganzen Welt zusammengetragen und stellen sie jeweils in einer Zeichnung und einer Kurzbeschreibung oder Zusammenfassung des Mythos, der um die Gestalt rankt, vor.
Sie gehen dabei systematisch vor und haben die Welt in 14 Kultur- und Landschaftsräume geteilt. Jede dieser 14 Regionen wird als illustrierte Karte mit den uns heute bekannten Landesgrenzen und Landesnamen dargestellt. Die Fabelwesen sind in die Karte an der Stelle eingezeichnet, wo der ungefähre geografische Ursprung ihrer Geschichte ist, dort, wo sie ihr Unwesen treiben, wo die Menschen sich die Legenden erzählen. So jagt z.B. in der Karte "Nordeuropa" auf dem Flecken, der Deutschland darstellt, eine hübsche langhaarige Hexe auf einem Ziegenbock zum Brocken. Da als Repräsentanten des deutschen Sagenschatzes Gestalten wie die Loreley, der Butzemann oder die Heinzelmännchen fehlen, ebenso Rübezahl alias Krakonos im Grenzgebiet zu Tschechien, lässt vermuten, dass der Atlas auch in den anderen Regionen der Welt hinsichtlich der Vollständigkeit Wünsche offen lässt.
Dennoch bietet der "Atlas der Fabelwesen" sicher einen soliden Überblick über das 'Who is Who'der sagenhaften Weltgeschichten.
Gleichzeitig gibt der großformatige Band ein sehr eindrucksvolles Zeugnis über das menschliche Grundbedürfnis nach Geschichten und Erklärungsmodellen ab: Durch alle Zeiten, auf allen Kontinenten entspringen aus den Gegebenheiten von Landschaft und Klima fabelhafte, unverwechselbare Gestalten, die zum Teil über Jahrhunderte einen Platz im kulturellen Erbe der jeweiligen Völker eingenommen haben.
Doch dieser Atlas ist noch sehr viel mehr als die bloße Zusammenstellung mythischer Wesen und ihre Zuweisung in ein bestimmtes geografisches Gebiet. Der Illustrator hat für jede der 14 Karten unterschiedliche Farbklänge gewählt, meist aus drei harmonierenden Farbtönen, die eine Idee von Temperatur und Atmosphäre vermitteln. So dominieren z.B. in der Karte "Afrika" warmes Ocker, Olivgrün und Braunrot, während die Karte von Nordamerika durch helles gedecktes Blaugrau und Details in dunklem Bordeaux und Graubraun Kühle ausstrahlt. Stuart Hill ist noch weiter in die Kulturgeschichten eingedrungen und hat jede Karte mit einem traditionellen ornamentalen Band eingerahmt. So fasst ein Band aus Mäandern die Südosteuropa-Karte ein, ein indianisches Webmuster die Südamerika-Karte und Aboriginal-Dot-Painting die Australische.
Der Clou des Buches ist aber, wie die einzelnen Wesen in einer spannenden Rahmengeschichte eingebunden sind:
Die Bibliothekarin Ruth Briggs findet bei der Aufarbeitung eines Nachlasses ein geheim gehaltenes Manuskript über die vermeintliche Entdeckungsreise eines Cornelius Walters im 16. Jahrhundert. Walters behauptet darin, zwölf Jahre lang um die Welt gereist zu sein, um alle fabelhaften Wesen und Geschöpfe, die ihm begegneten, in Wort und Bild zu dokumentieren.
Mit scharfem Verstand kommentiert Briggs die seltsamen Einträge auf akkurat beschrifteten und sauber eingeklebten Karteikärtchen und wird so zur Stimme des kritischen, an der Wahrheit zweifelnden Lesers und Leserin.
Cornelius Walters' See- und Landkarten sind durchzogen von einer Geheimschrift, die schon Walters im 16. Jahrhundert beunruhigte. Walters' Gedanken und Briggs Anmerkungen, die sich direkt darauf beziehen, erzeugen auf der Textebene einen Denkraum, in den der Leser, die Leserin direkt eingeladen wird.
Die Bibliothekarin sendet trotz ihrer Zweifel das Manuskript und ihre Notizen an einen Lektor und Kartografen eines Verlagshauses. Auf den ersten Seiten des Buches ist ihr Brief abgedruckt.
Durch diese raffinierte Konstruktion schaffen Lawrence und Hill einen realistisch anmutenden Rahmen mit quasi Echtheitsbeweisen.
Der Leser, die Leserin wird zum genauen Studium der Karten eingeladen, um die Geheimschrift zu entschlüsseln, ebenso wie Ruth Briggs, die, als sie den Code geknackt hat, einen Besorgnis erregenden Brief an den Lektor schreibt und ihn inständig bittet, das Projekt sofort einzustellen. Ihre letzten Worte: „SIE KOMMEN!“
Sollte Cornelius Walters doch die Wahrheit geschrieben haben? Ist er den Fabelwesen tatsächlich begegnet? Und hat der Fluch nun Ruth Briggs getroffen, die auf mysteriöse Weise verschwunden ist?

Das Buch ist alters- und generationsübergreifend sehr zu empfehlen. Es lädt zum Schmökern, Forschen und Rätseln ein, begeistert nicht nur durch das schöne Format und das Vorsatzpapier, das den modebewussten Weltreisenden Cornelius Walters mit Wams und Pluderhose als Wanderer, Reiter, Surfer oder auf der Flucht vor Fledermäusen und Kängurus zeigt.
Das hochwertige griffige Papier und die spannende Gestaltung der einzelnen Seiten, die zum Teil aussehen, als seien sie vergilbt, vor den Flammen gerettet und mehrere hundert Jahre alt, sind nur zwei formale Aspekte, die von der Leidenschaft zeugen, die in dieser Arbeit steckt.
Auf sehr gelungene Weise haben Lawrence und Hill ein Stück kulturelles Welterbe zusammengetragen. Für pädagogische Kontexte bietet der „Atlas der Fabelwesen“ inspirierende Möglichkeiten und Anlässe zu globalem Lernen.

Bojka Bogdanovic

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Bob; Landesstelle: Berlin.
Veröffentlicht am 29.09.2019

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