Am dunklen Fluss

Autor*in
Appelt, Kathie
ISBN
978-3-473-36805-1
Übersetzer*in
Pressler, Mirjam
Ori. Sprache
Amerikanisch
Illustrator*in
Small, David
Seitenanzahl
352
Verlag
Ravensburger
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/Roman
Ort
Ravensburg
Jahr
2011
Lesealter
8-9 Jahre10-11 Jahre12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Freizeitlektüre
Preis
14,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Tausend Jahre ist es her, seit Großmutter Mokassin, halb Schlange, halb Mensch, ihre Tochter an einen Sterblichen verloren und sich gerächt hat. Seitdem schläft sie tief unter der Erde in dem dunklen Wald am dunklen Fluss, im Osten von Texas, wo auch der Königsalligator lebt. Jetzt ist ihre Zeit des Erwachens gekommen - gerade, als die Kätzchen Puck und Sabina und der alte Hund Ranger in der Gewalt des grausamen Menschen Hechtmaul geraten, der sie als Köder für den Königsalligator nutzen will.

Beurteilungstext

Ein großer, bezaubernd schöner Kinder- und Jugendroman über Freundschaft, Liebe und Familie, aber vor allem auch über Einsamkeit. Schon der erste Satz - "Es gibt nichts Einsameres als eine Katze, die eine Zeit lang geliebt worden ist und dann am Straßenrand ausgesetzt wird" - lässt ahnen, dass dieses Buch vor seelischem Schmerz nicht haltmacht. Auch Großmutter Mokassin, das letzte mythologische Wesen ihrer Art, ist zu ewiger Einsamkeit verdammt, nachdem durch ihre Schuld ihre Tochter Nachtigall stirbt. Nachtigall wählt aus unerfüllter Sehnsucht den Tod, als sie nicht in die menschliche Gestalt zurück kehren kann: "Und zuletzt geschah es, dass Nachtigall, ihres Wesens beraubt, geliebt von allen Geschöpfen der tiefen Kiefernwälder, am meisten jedoch von ihrem Mann und ihrer Tochter, sich in Luft auflöste." Nachtigalls Tochter, ein zehnjähriges Mädchen mit schimmernder Haut, verwandelt sich im Moment ihres größten Verlustes in einen Kolibri, der bis heute die Seelen der Sterbenden ins Jenseits, hier symbolisiert durch den großen, dunklen Fluss, begleitet.
Der alte Hund Ranger, der bei der Jagd mit seinem Herrchen Hechtmaul nur einen Fehler gemacht hat und dafür grausam büßen muss, entkommt der Einsamkeit, als durch sein trauriges Heulen die Katzenmutter auf ihn aufmerksam wird und mit ihm eine Art Familie gründet. Für sie gibt es ein schlechtes Ende: Sie wird von dem grausamen Hechtmaul im Fluss ertränkt - das alles ist so traurig, dass man beim Lesen oft schlucken muss. Was macht einen Menschen wie Hechtmaul so böse? Wie kann er in den dunklen Sümpfen hausen, nur bitteren und scharfen Alkohol trinken und von der Trophäe des Königsalligators träumen? So lebt nur ein Mensch, der noch nie geliebt wurde, und so ist auch sein Ende böse und grausam. Aber irgendwie nimmt es dann doch für Ranger, Puck und Sabina ein gutes Ende. Und dass auch Großmutter Mokassin sich im letzten Moment auf die Seite der Liebe schlägt, gibt Hoffnung, Hoffnung, Hoffnung.
Der Roman ist, chronologisch gesehen, zweigeteilt: Indianische Mythologie von vor tausend Jahren wirft ihren langen Schatten bis in die heutige Zeit, auf drei ungeheuer liebenswerte Tiere, die sich finden und ihre Einsamkeit besiegen. Ein bisschen Bremer Stadtmusikanten, ein bisschen Andersens Kleine Meerjungfrau, sehr viel Louisiana-Texas Lokalkolorit, übersetzt von Miriam Pressler machen dieses Buch bewegend und nachhaltig.
Der Roman hat 124 Kapitel. Sie sind oft sehr kurz, zwischen einer halben und drei Seiten, und eignen sich auch für Leser, die spannenden Lesestoff suchen, sich aber von zu langen Kapiteln entmutigen lassen. Der Erzählduktus wechselt zwischen märchenhaft und berichtend ab, gelegentlich wird der Leser mit Du direkt angesprochen. Nicht der Erzähler ist der allwissende, sondern die Bäume, auf die er sich in dieser dicht-grünen Landschaft bezieht: "Könntest du die Bäume fragen, die Balsambäume und die Tupelos, die Platanen und die Eiche, würdest du die Sprachen der Lackbäume und der Kastanien und der Erlen verstehen, würden sie dir erzählen…"Dieses Buch ist hochpoetisch ohne den geringsten Anflug von Pathos. Die Handlung der Jetztzeit ist ausgesprochen spannend, durch die tierischen Protagonisten zu Herzen gehend, die Handlung der Vergangenheit nicht minder spannend, aber deutlich mythologisch geprägt. Dieser Debütroman, der die Newbury Medal of Honor bekommen hat und auf der Auswahlliste des National Book Award steht, endet da, wo er angefangen hat: In der der Jetztzeit: "Hier leben ein silbernes Zwillingspaar und ein alter Hund, der melancholische Lieder singt, hier, genau hier ...” Empfehlenswert ab 9, nach oben sind keine Grenzen gesetzt.

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Diese Rezension wurde verfasst von krä.
Veröffentlicht am 18.09.2023

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