Als die Stadt in Flammen stand

Autor*in
Jones, KimberlySegal, Gilly
ISBN
978-3-570-31463-0
Übersetzer*in
Attwood, Doris
Ori. Sprache
Amerikanisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
272
Verlag
Gattung
Erzählung/RomanTaschenbuch
Ort
München
Jahr
2021
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
10,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Es ist heiß in der Spielpause vor dem Footballstadion der McPherson High School. Am Kiosk drängen sich die Menschen, drinnen versucht Campbell noch, mit dem Ansturm fertig zu werden. Campbell ist neu in der Schule, unsicher und vor allem überfordert. In der schwitzenden Menge draußen steht Lena und wird langsam richtig sauer: Geht das mal vorwärts, kommt diese weiße Tussi eigentlich mal klar?

Beurteilungstext

Immer mehr Leute machen ihrem Unmut Luft. Und dann geht alles ganz schnell: Ein weißer Anhänger der gegnerischen Mannschaft pöbelt rassistisch, zwei Gruppen gehen aufeinander los – ein Funken, der bald die ganze Stadt in Flammen setzen wird.
„Als die Stadt in Flammen stand“, so heißt der erste gemeinsame Jugendroman des amerikanischen Autorinnenduos Kimberly Jones und Gilly Segal. Jones ist schwarz und Segal weiß und so sind es auch ihre Protagonistinnen Lena und Campbell, die sich plötzlich in einem Massenaufstand wiederfinden, der sich unaufhaltsam weiter ausbreitet: jeder scheint auf jeden loszugehen, die Polizei kommt, Schüsse fallen, spontane Protestaufmärsche formieren sich, Fronten werden gebildet und gewaltsam eingerissen. Gewalt kommt von allen Seiten, Läden werden geplündert, Feuer gelegt. Und wir als Leser:innen sind mittendrin an der Seite der beiden so unterschiedlichen Mädchen, die am Anfang der Eskalation noch gar keine Ahnung haben, was überhaupt los ist. Wir sind immer auf dem gleichen Wissenstand wie sie, ein gelungener Kniff der Autorinnen, die uns so die Verwirrung und Angst ihrer Charaktere spüren lassen. Lena hat sich zu Campbell in den Kiosk geflüchtet, aber sie erkennt schnell, dass sie hier nicht bleiben kann. Und sie weiß auch: Sie braucht Campbells Hilfe. Zu zweit brechen sie auf in ihre Geschichte, die sie nun immer abwechselnd erzählen. Diese Art Doppelperspektive wird in Jugendromanen aktuell ja fast zu oft genutzt, hier passt sie jedoch sehr gut: Es sind eine schwarze und weiße Perspektive auf eine Ausnahmesituation, die aus dem ewig schwelenden Konflikten zwischen Schwarz und Weiß wie eine Explosion hervorgegangen ist. Gekonnt spiegeln die Autorinnen die Problematiken von Rassismus, wenn beide Mädchen auf ganz unterschiedliche Weise versuchen, Hilfe zu finden und irgendwie nach Hause zu kommen. Campbell setzt ihre Hoffnungen auf Autoritätspersonen, die für Ordnung sorgen, die Situation kontrollieren – Lehrkräfte, Polizei, irgendwer von den Erwachsenen. Lena dagegen vertraut darauf, dass ihr Freund sie abholen wird, ihr Cousin mit seiner Gang Schutz bietet. Autoritäten, so weiß sie, machen alles nur noch schlimmer:
»Laute, ältere Stimmen, scharf und autoritär, ertönen über dem Geschrei. „Was ist hier los?“ „Auseinander!“. Rechts neben dem Kiosk bahnen sich zwei Polizisten einen Weg durch das Durcheinander. Als ich sie sehe, lösen sich meine angespannten Muskeln vor Erleichterung. „Die Polizei!“, sage ich. „Jetzt wird alles gut.“ „Oh Scheiße, jetzt geht´s erst richtig los“, stößt Lena im selben Moment aus. Ich drehe mich zu ihr um, ihr Blick fängt meinen ein und wir starren einander an.« (S. 47f)
Dass sie letztendlich beide enttäuscht werden (Campbell ist entsetzt von dem gewaltsamen Eingreifen der Polizei und fassungslos, als eben noch vernünftige Erwachsene zu Plünderern werden; Lenas Freund lässt sie einfach hängen), das schweißt die beiden Mädchen endgültig zusammen: Wenn auch auf sonst keinen, so können sie sich doch aufeinander verlassen. Kimberly Jones und Gilly Segal reißen hier in knappen Sätzen und doch auf sehr berührende Weise die Barrieren ein, die beide Hautfarben voneinander trennen. Die Zielgruppe wird vom Verlag ab 14 Jahren angegeben und vor allem diese entstehende, im ganzen thematischen Rahmen so wichtige Freundschaft sorgt dafür, dass der Roman bei den jugendlichen Leser:innen ankommt und sicher viele Weiterempfehlungen nach sich zieht. Erst einmal verleitet das gelungene Cover, auf dem Lena und Campbell sich gegenüberstehend ähnlich eines Ying und Yang angeordnet sind, auf jeden Fall zum Zugreifen.
„Als die Stadt in Flammen stand“ fügt sich ein in eine Reihe aktueller Romane wie beispielsweise „The Hate U Give“ oder „Dear Martin“, die sich auch mit dem Thema Rassismus vor allem in den USA auseinandersetzen. Mit seinen knapp über 270 Seiten wesentlich kürzer gehalten als gewohnt, ist er jedoch nicht weniger bedeutsam. Es wird die Geschichte eines halben Tages und einer Nacht erzählt, der Zeit des Rassenaufstandes. Es endet so plötzlich wie es angefangen hat. Was ist alles passiert, wer ist schuld, wie viele Menschen sind verletzt, tot? Lena und Campbell sind zuhause, sie bleiben in Kontakt, dass erfahren wir noch. Viele Fragen bleiben jedoch offen. Das verstärkt noch einmal die Authentizität des Romans, auf die die Autorinnen bereits von Beginn an abgezielt haben. Als Vorsatz zum ersten Kapitel stellen sie ein Zitat eines Journalisten: „Wir hatten nicht verstanden, dass die Unruhen bereits begonnen hatten…“ Er berichtet von den Rassenunruhen in Los Angeles 1992, die nach dem Urteil im Prozess um den Afroamerikaner Rodney King über 50 Todesopfer forderten. „Als die Stadt in Flammen stand“ spielt nun aber in unserer aktuellen Zeit und lässt uns sofort an die Unruhen nach dem Tod George Floyds Anfang 2020 denken. Und an die unzähligen Vorfälle dazwischen, von denen wir aus den Nachrichten erfahren haben. In den ganzen 28 Jahren zwischen beiden Ereignissen hat sich scheinbar nichts verändert. Das macht das Buch auch noch einmal klar und darüber muss auch noch einmal und immer wieder gesprochen werden.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von SJ; Landesstelle: Thüringen.
Veröffentlicht am 22.12.2021

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