Alphabet der Träume

Autor*in
Fletcher, Susan
ISBN
978-3-446-20901-5
Übersetzer*in
Kollmann, Birgitt
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
377
Verlag
Hanser
Gattung
Ort
München
Jahr
2007
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
17,90 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Die Drei Weisen des Morgenlandes rüsten zu ihrem Zug nach Bethlehem. Mitra (14) und ihr 5-jähriger Bruder Babak sind dabei und sie sind das eigentliche Zentrum der Reise: Babak kann die Träume anderer Menschen träumen und das nur, wenn seine Schwester dabei ist. Die Weisen gehen sehr unterschiedlich damit um: der eine ausnützend, der andere fürsorglich, der dritte ignorant. Endlich am Ziel, erscheint dies den Kindern enttäuschend, dafür ändert sich ihr Leben grundlegend.

Beurteilungstext

Die ersten Kapitel erscheinen dem Leser etwas verwirrend, weil die 14-jährige Ich-Erzählerin übersprudelt vor Mitteilungsdrang und vieles voraussetzt, was erst auf den folgenden Seiten erklärt werden kann. Aber dann ergibt es einen einleuchtenden Sinn: Die Autorin erzählt lebendig und authentisch klingend diese sagenhafte Geschichte der Drei Heiligen Könige, die hier keine Könige sind, auch wenn sich einer von ihnen durchaus so aufführt, sondern wirkliche Weise, die Susan Fletcher allesamt aus Persien kommen lässt (und das schlüssig im Nachwort begründet). Den schwarzen Kaspar lässt sie dabei ebenfalls als Perser und somit weiß erscheinen. Ohnehin sind die Konkretisierungen der Könige-Sage erst im Mittelalter entstanden. Warum also nicht so?
Überhaupt glaubte ich erst gar nicht, dass die Autorin Amerikanerin ist, derart unbelastet und beschwingt wird hier eine Geschichte erzählt, deren Höhepunkt jeder Abendländer in der kanonisierten Form kennt - und genau dieser Teil fehlt im Roman, weil, na wer erzählt? die 14-jährige Begleiterin in der Karawane, und so ein Mädchen war bekannterweise gar nicht dabei, als die Drei “Könige” ihrem Heiland ihre Gaben darbrachten. Aber sonst war sie überall dabei. Und die Autorin offensichtlich auch, wenn auch nicht vor 2000 Jahren, sondern erst vor Kurzem. Aber sie kennt die Landschaft und die Leute, sie kennt die Wüste, sie kennt die Hitze und die Sandstürme, das Problem des fehlenden Wassers und die Oasen. Sie kennt die Frauen und die Familienbindungen, sie kennt die Männerwelt und weiß, weil sie auch Vieles gelesen hat, wie die Karawanen vor unserer Zeit durch die Lande zogen. Und sie kennt die Kamele und die Esel. Und alles das weiß sie zu beschreiben und dem Leser so vor Augen zu führen, dass er unmittelbar dabei zu sein glaubt.
Das einzige Märchenhafte an diesem spannenden Roman - der auch in seiner theologischen Aussage Diskussionen auslösen könnte und sollte (Hauptthema ist das der Toleranz) - die Fähigkeit des kleinen Bruders, anderer Menschen Träume träumen zu können, auch Zukunftsträume. Aber das wird nicht als Kuriosität dargestellt, sondern als Fähigkeit, die dem Jungen an die Substanz geht, wenn sie zu sehr ausgenutzt wird. Er droht daran zu Grunde zu gehen und nur seine Schwester, die das sieht, dem “Eigentümer” gegenüber aber machtlos ist, und der Weitsichtigkeit des einen der Weisen, der dann für ein Ende der Ausnutzung des Jungen sorgt, ist es zu verdanken, dass ein gutes Ende möglich ist. Ebenso wird die Abhängigkeit der Kinder von den Mächtigen deutlich, eine Abhängigkeit, aus der es eigentlich kein Entrinnen gibt.
Dass dies alles von dem halbwüchsigen Mädchen gesehen und beschrieben werden kann (was vor 2000 Jahren ein einfaches Mädchen gar nicht in der Lage gewesen wäre, überhaupt nur zu sehen), ist damit gerechtfertigt, dass sie selbst die Tochter eines potentiellen, nur leider gescheiterten Potentaten ist. Ihre Familie wurde in alle Winde zerstreut und nur sie und ihr Bruder überlebten das Debakel und landeten gesellschaftlich ganz unten - und so dann schließlich im Haushalt eines der Weisen.
Diese Herkunft gebiert auch eine weitere Nebenhandlung: Während des Karawanenzugs bekommt Mitra das erste Mal ihre Tage - was eine Katastrofe auslösen könnte, würde es bekannt, denn nur weil sie als der ältere Bruder Babaks auftritt, kann sie bei ihm bleiben. Trotz aller Bemühungen aber erkennen alle in ihrer unmittelbaren Umgebung ihr wahres Geschlecht, nur der von ihr angebetete Diener nicht. Da sie sich aber allen gesellschaftlich überlegen fühlt, entfällt für sie das zurückhaltende Gebaren, wie es einer Frau zustände. Deswegen kann sie sich auch so ungezwungen bewegen und sich mit allen Männern auseinander setzen und so ihre Stellung behaupten. Zunehmend aber nimmt sie die Jungen um sich herum als Männer wahr und so kommt es schließlich sogar noch zu einem Happy-End, etwas überraschend, aber dennoch schlüssig durch den Verlauf der gesamten Geschichte.

So liegt hier ein vielschichtiger Roman um den Mythos der Drei Heiligen Könige vor, der in allen Ebenen als diskutable Grundlage für alle Altersklassen gelten kann. Auch eine Klassenlektüre erscheint mir sinnvoll, vielerlei Bereiche lassen sich dabei für eigene Erörterungen und Ergänzungen ausgliedern. Thematisch ist das allerdings auf das weihnachtliche Thema begrenzt. Aber von Begrenzung kann eigentlich gar nicht die Rede sein.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von cjh .
Veröffentlicht am 01.01.2010

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