Alle behindert! 25 spannende und bekannte Beeinträchtigungen in Wort und Bild

Autor*in
Osberghaus, Monika
ISBN
978-3-95470-217-6
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Klein, Horst
Seitenanzahl
40
Verlag
Gattung
Buch (gebunden)Sachliteratur
Ort
Leipzig
Jahr
2019
Lesealter
4-5 Jahre6-7 Jahre8-9 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Klassenlektüre
Preis
14,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Ob du behindert bist, hab ich gefragt! - Ich? Behindert? Auf jeden Fall!

Beurteilungstext

Versteh’ eine*r die Menschen!
Anna hat das Down-Syndrom, Max eine Spastik und Grethy ist gehörlos, Martha leidet an ihrer Schüchternheit und unter Juliens Angeberei leiden alle. Auf bunten Seiten mit einer Mischung aus Krakel- und Computerschrift erklärt Oskar, was an seiner ADHS einfach nur doof ist, Xenia, woher ihre Epilepsie kommt, Luca-Toni berichtet, ob sein Herzfehler wieder weg geht und was er deswegen lieber sein lässt, und Sophia, was richtig gut an ihrer Spina Bifida ist. Mit Witz, Humor und Selbstironie erzählen die Kinder, wie sie mit ihrer Behinderung umgehen und mit welchen Namen sich andere über sie lustig machen.
Im Gegensatz dazu stehen Alfredo, der als chronischer Essensnörgler große Probleme hat, satt zu werden, Jeremias, der den ganzen Tag in seinem Zimmer zockt und Ella, die hochbegabt ist und chronisch viel nachdenkt. Die Grenzen zwischen medizinisch anerkannten Krankheiten oder Behinderungen und gesellschaftlichen Phänomenen verschwimmen. Doch was alle abgebildeten Kinder gemeinsam haben, ist, dass sie Kinder sind, behindert oder nicht – aber jedes auf die eigene Art und Weise definitiv ganz speziell.
Liebevoll zeigt das Buch „Alle behindert!“ auf, wie unterschiedliche Eigenschaften genauso wie körperliche Behinderungen hemmen können und gleichermaßen doch Chancen für ein tolles, intensives Miteinander bieten. Dass der kleinwüchsige Neo überrannt wird, ist zwar traurig, aber dafür kommt er leichter unter einem Zaun durch. Dass Alex wegen seines Übergewichts nicht gern Klamotten kauft, es aber muss, macht ihn zwar betroffen, aber dafür ist er auch Experte im Aufspüren von Süßigkeiten. Dass viele Leute denken, Ronja könne nicht hören oder sprechen, nur weil sie blind ist, nervt sie zwar gewaltig, aber dafür träumt sie in Worten, Tönen, Geräuschen und Gefühlen – das kann nicht jede*r! Behindert zu sein, ist eben ganz normal.
Das voller Freude, Inbrunst und Passion gestaltete Sachbilderbuch „Alle behindert!“ macht fröhlich und betroffen, zeigt Ängste und Lebensfreude, berührt und wertet auf. Es regt dazu an, über den eigenen Horizont zu schauen und zu merken, dass das, was die eigene Schwäche ist, die Stärke von anderen sein kann – und dass wir alle reicher sind, wenn wir die Stärken und Schwächen anderer Menschen annehmen. Das vermittelt das Buch innovativ über die Vermischung textueller und bildlicher Elemente. Die comicähnliche und farbenfrohe Gestaltung des Buchs hat nicht nur eine lebensfreudige Wirkung, sondern löst vor allem Wohlbefinden aus. Nicht nur, weil das Thema Behinderung in unserer Gesellschaft oft als kompliziert, vorsichtig oder gar als Tabu aufgefasst wird. Vor allem, weil die Leser*in mithilfe der Bilder und der steckbriefartigen Beschreibungen nicht das Gefühl hat, es gehe um die sture Vermittlung von Akzeptanz, Toleranz und Offenheit, sondern vielmehr um Authentizität und Echtheit.

Lesende, Kinder und Jugendliche ebenso wie Erwachsene können sich sofort mit allen Figuren identifizieren, denn
1. blöde Blicke und Mobbing hassen nicht nur übergewichtige, sondern auch "normal"-gewichtige Menschen,
2. Mathe ist für manche Sehende genauso schwierig und
3. falsche Freunde kennen nicht nur Angeber*innen.

Das Mitmach-Level erleichtert nicht nur das Gefühl, dass man auf Menschen, die vermeintlich anders sind als man selbst, einfach zugehen kann, ohne viel beachten zu müssen – Respekt ist alles. Es versinnbildlicht die Chancen, die die Bewältigung von vermeintlichen Herausforderungen beinhalten. Dieser O-Ton ist im gesamten Buch erkennbar, löst von Stereotypen und fokussiert die Toleranz.
Gleichzeitig löst es Betroffenheit aus, wenn beispielsweise der kleine José, der eine Lernbehinderung hat, seine Mutter fragt: „Mami, werde ich schlau, wenn ich noch mal zurück in deinen Bauch gehe?“. Aber es macht die Lesenden stark: Wir müssen uns vom verzweifelten Bloß-nicht-Hingucken zum Moin-wer-bist-denn-Du? entwickeln. Man ist, was man daraus macht. Ein wirklich gut gestaltetes, aufwühlendes und tolerantes Buch, das viel Potential in der (Vor-)Schule bietet. Die Selbstreflexion, die im Rahmen der Auseinandersetzung mit diesem Buch stattfinden kann, ist innovativ, spannend und kinderfreundlich zugleich.
„Alle behindert!“ motiviert, mehr zu sehen, mehr zu fühlen, mehr zu hören, mehr zu verstehen – das Mehr zu leben. Egal, wer du bist, egal, wie du bist und egal, was du mit dir herumträgst.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Mamü; Landesstelle: Mecklenburg-Vorpommern.
Veröffentlicht am 02.08.2020

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