Ärger mit den Ägyptern

Autor*in
Northfield, Gary
ISBN
978-3-570-31395-4
Übersetzer*in
Pflüger, Friedrich
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Northfield, Gary
Seitenanzahl
342
Verlag
Gattung
ComicTaschenbuch
Ort
München
Jahr
2021
Lesealter
6-7 Jahre8-9 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
11,00 €
Bewertung
empfehlenswert

Teaser

Geschichte ist erst auf dem zweiten Blick ein Abenteuer, erst dann, wenn aus Fakten und Funden eine Erzählung wird. Auch im dritten Band der Reihe um Julius Zebra sorgt der titelgebende Held, dass ein Teil der antiken Geschichte, nämlich der ägyptische, unterhaltsam und spannend näher gebracht wird. Da kann es schon mal passieren, dass ein Zebra für ein Pferd, genauer: für einen Pferdegott gehalten wird.

Beurteilungstext

Am Anfang der Geschichte des dritten Bandes befindet sich Julius Zebra auf einem Schiff in einem Sturm auf dem Mittelmeer. Begleitet wird er von sechs weiteren Tiergladiatoren. Von der Giraffe bis zur Maus sind vor allem exotische Großwildtiere aus Afrika dabei. Julius Zebra war im ersten Band aus dem Kolosseum in Rom ausgebrochen und hatte die dortigen Tiersklaven befreit. Im zweiten Band reiste er nach Britannien, um seinen Bruder zu finden. Von dort ist er nun auf den Spuren seines Widersachers Septimus ins Mittelmeer gefahren. Aufgrund des Sturms und aus Mangel an ‚Seefahrerkompetenzen‘ – die Gebrauchsanleitung fällt leider ins Wasser – landen sie als Schiffbrüchige in Ägypten. Dort wird Julius für einen prophezeiten Pferdegott gehalten und soll zum Pharao ernannt werden. Das klingt nach einem Happy End, das sich der schwergeprüfte Gladiatorensklave mehr als verdient hat.
Das ist aber nicht das Ende, das Leser und Leserinnen von einem Comic-Roman erwarten. Normal ist hier der Erwartungsbruch. Es geht unkonventionell zu und eigentlich ist die antike Geschichte nur Nebensache. Im Vordergrund steht eine Abfolge komischer Situationen rund um Julius und seine Freunde. Da gibt es die Antilope Felix, der von einer Sammelleidenschaft besessen ist. Beim Anblick von Steinen vergisst er alles um sich herum. Das Warzenschwein Cornelius ist der Gebildete der Gruppe, manchmal ein Besserwisser, der mangels praktischer Erfahrungen Missgeschicke herbeiführt. Brutus, der Bruder von Julius, trägt ebenfalls zum allgemeinen Chaos bei. Er scheint das genaue Gegenteil von Julius zu sein: verspielt, wo Julius von seiner wichtigen Mission erfüllt ist; egoistisch, wo jeder für die gesamte Gruppe denkt. Allerdings ist Julius auch oft selbst ein Garant für Komik, wenn er zufällig einen Krummstab und eine Geißel aufnimmt und deswegen für einen Pharao gehalten wird. Natürlich muss es in diesem Moment auch noch aus heiterem Himmel regnen. Ein echt komisches Naturtalent, oder? Na ja, dies und noch vieles mehr gehört zum antik-ägyptischen Setting für eine Verwechslungskomödie.
Trotzdem können Leser und Leserinnen nebenbei etwas lernen. Im Zuge der Komödie werden einige Schauplätze der ägyptischen Geschichte vorgestellt: Alexandria mit Bibliothek und Leuchtturm, die Pharaonenstadt Memphis und natürlich die Pyramiden. Des Weiteren wird die Kultur der Ägypter durch Verhaltensweisen von Nebenfiguren oder Situationsbeschreibungen vorgestellt: die Bedeutung des Nils, Göttervorstellungen, die Hieroglyphen oder der ägyptische Totenkult. Es lässt sich auch erahnen, dass die ägyptische Geschichte vielseitig ist, wenn bspw. die Besatzungsmacht der Römer beschrieben wird und nur noch ein Abglanz ägyptischer Größe in den handelnden Figuren hervorscheint.
Für die Geschichtsschreibung und das Verständnis von Geschichte ist auch der fiktionale Kniff interessant. Ein sprechendes, vermenschlichtes Zebra wird in die Zeit des antiken Ägyptens versetzt. Über den Fremdkörper bietet sich die Chance das Bekannte neu zu betrachten. Wie würde denn die antike Geschichte tatsächlich aus der Perspektive eines Zebras im Kolosseum aussehen? Dieser historische Teil ist dann wahrscheinlich erst ab 18 zugänglich. Neben dem Eintauchen in einen derart blutigen Realismus könnte es erhellend sein, sich oder andere Personen in der Geschichte vorzustellen: Was wäre gleich? Was wäre fremd oder schlichtweg unverständlich? Mit Julius Zebra werden hier Spaß und Schwierigkeiten interkultureller Kommunikation über Raum und Zeit hinweg in die antike Vergangenheit projiziert.
Kommunikation besteht aber nicht nur aus Worten. Die nebenverbale Kommunikation – fachwissenschaftlich: nonverbal – trägt ebenfalls zum Verständnis bei und wird im Comic-Roman vor allem durch die Bilder zur schönsten Nebensache der Welt. Einerseits tragen die Strichzeichnungen zur Veranschaulichung der Handlung bei, indem sie Figuren und Schauplätzen Form, Fläche und Kontur geben. Andererseits dienen sie der Fort- und Ersetzung der Handlung mit anderen Mitteln. Die Comiczeichnungen erzählen eine eigene Geschichte, meist eine der extremen Gefühle. Was der Fließtext nur durch den sporadischen Gebrauch von Großbuchstaben oder Schriftsprache andeuten kann, wird von den Zeichnungen, die meist mit Sprechblasentext verbunden sind, intensiviert und dann kommentiert, parodiert oder ironisiert. Falls ein Leser oder eine Leserin sich vor der Ermüdung durch historische Litaneien fürchtet, kann er oder sie beruhigt sein. Der Text wird auf jeder Seite durch mindestens einen zeichnerischen Einfall unterbrochen. Einschläfernde Ruhe stellt sich dabei wohl kaum ein. In der Beurteilung dieser Textstrategie gehen die Meinungen sicherlich auseinander. Im positiven wie auch im negativen Sinn ist es lächerlich. Interessant scheint mir, dass erst durch die Bilder eine Geschichte der Gefühle lebendig wird. Meist sind es die Gefühle, die als unveränderlich angesehen werden und dadurch das historische Verstehen absichern. Ebenso dienen die Zeichnungen in diesem Comic-Roman der Identifikation, aber auch der Distanzierung. Beim Lesen fühlt man mit, aber die extreme Gestaltung verhindert ein völliges Eintauchen. Dieser Effekt ist vielleicht auf Erwachsene beschränkt, weil für Kinder und Jugendliche extreme Gefühle und deren Ausdruck wiederum normal seien können.
Sicherlich ist das Buch in erster Linie eine gut gemachte, unterhaltsame Einführung in die ägyptische Geschichte, die zum (Gedanken-)Spiel mit dem Allgemeinwissen einlädt. Es wäre darüber hinaus spannend, es unter dem Vorzeichen interkultureller Kommunikation – zwischen Römern und Ägypten, Tier und Mensch, Antike und Moderne, Jung und Alt – zu lesen.

[Thomas Bitterlich]

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von ThoBi; Landesstelle: Sachsen-Anhalt.
Veröffentlicht am 01.04.2021

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