Adrian hat gar kein Pferd

Autor*in
Campbell, Marcy
ISBN
978-3-570-17647-4
Übersetzer*in
Gutzschhahn, Uwe-Michael
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Luyken, Corinna
Seitenanzahl
40
Verlag
Gattung
BilderbuchBuch (gebunden)Sachliteratur
Ort
München
Jahr
2019
Lesealter
6-7 Jahre8-9 Jahre10-11 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
15,00 €
Bewertung
empfehlenswert

Teaser

Mit „Adrian hat gar kein Pferd“ liefern Marcy Campbell und Corinna Luyken ein einfühlsames Plädoyer für die Bewahrung der Fantasie.

Beurteilungstext

Bereits auf dem Cover des Buches deutet sich an, dass sich die Geschichte um zwei Kinder dreht, die unterschiedliche Standpunkte vertreten und es aus diesem Grund zu einer Auseinandersetzung kommt. Der Titel „Adrian hat gar kein Pferd“ lässt vermuten, was zwischen ihnen stehen wird. Bereits auf den ersten Seiten wird der Leser mit dem Konflikt, welcher zunächst vor allem ein innerer der Ich-Erzählerin ist, konfrontiert. Die Deutlichkeit der Gedanken und Aussagen der Hauptfigur, sowie ihre ausdrucksstarken Gesichtszüge lassen auf deren Wut und Empörung schließen. Empörung darüber, dass ihr Klassenkamerad, Adrian Simmer, allen mitteilt, er besäße eine schöne Stute. Die anderen Kinder schenken dem Jungen offenbar Glauben. Zoe hingegen bringt dafür kein Verständnis auf, denn offensichtlich für sie ist, dass ihr Mitschüler gar kein Pferd haben kann. Immerhin bringt er „immer ein Butterbrot mit in die Schule, weil er kein Geld hat, um sich was zu kaufen. Und seine Schuhe haben Löcher. […] Er kann sich um kein Pferd kümmern. Adrian Simmer kann sich nicht mal in der Schule um seinen Platz kümmern.“ Allein die Bilder verdeutlichen, wie groß Zoes Ablehnung gegenüber Adrians Verhalten ist. Zur direkten verbalen Äußerung im Beisein des vermeintlichen Hochstaplers und somit zum Angriff, kommt es lediglich in einer einzigen Situation. „Er lügt“, schreit die Protagonistin in eine Kindergruppe hinein, als ihr Mitschüler wieder einmal allen von seiner Stute berichtet. Natürlich macht dies den zurückhaltenden Klassenkameraden betroffen. Letztendlich ist es die Mutter der Ich-Erzählerin, die Partei für den Schwindler ergreift und zwischen den Kindern vermittelt. Unerwarteterweise gelingt in der direkten Begegnung der Beiden zunächst eine vorsichtige Annäherung und Zoe schließlich ein Perspektivwechsel. Aus Ärger und Wut wird Verständnis für die Situation des Jungen und seine herausragende Fähigkeit: die Fantasie.

Viel Raum für ebendiese lassen die Bilder. Skizzenhaft erscheinen die Figuren, auf das Wesentliche beschränkt gestaltet ist die Umgebung, in der sie sich bewegen. Der Rezipient wird unter anderem dadurch, aber ebenso mithilfe von Leerstellen in Form weißer, zum Teil größerer Areale auf den Seiten dazu aufgefordert, Gebrauch von seiner Vorstellungsfähigkeit zu machen. Imaginär erweitert werden dürfen und sollen die auf das Nötigste reduzierten Abbildungen. Somit wird der Betrachter zusätzlich auf anderer Ebene mit „Fantasie“, also dem zentralen Thema der Erzählung, konfrontiert. Die Farbwahl erzeugt von Beginn an ein Gefühl der Bedrückung. Zunächst wirken die Seiten recht eintönig, Ruhe vermitteln sie aber nie. An Stellen, an denen Corinna Luyken farblich ausschweifender arbeitet, lässt sie in die bunten, wässrig-weichen Flächen schwarze Zeichenstriche eindringen, welche allgegenwärtig scheinen und die Bilder aufwühlen, ja geradezu eine Explosivität erzeugen. Jene Spannung unterstreicht das Gefühlsleben der Figuren und verdeutlicht einhergehend ihr Verhältnis zueinander. Im Laufe der Geschichte und mit Annäherung der beiden Kinder ändern sich Farbgebrauch wie auch -intensität. Die Künstlerin arbeitet zum Ende hin vermehrt mit knalligen Rot- und Gelbtönen. Als beide Figuren abschließend im Garten Adrians zueinanderfinden, heben sie sich vom Formen- und Farbenmeer ihrer Umgebung kaum noch ab. Realität und Fantasie vereinigen sich; die Welt des Jungen nimmt überhand. Nun ist auch die skeptische Zoe überzeugt: „[Adrian, S. K.] hat das schönste Pferd von allen […]“. Wie sie feststellt, muss er dafür nicht einmal wohlhabend sein. Passend zu den allein andeutenden Darstellungen auf der Bildebene kommt das Buch mit wenig Text aus. Kurze Sätze beschreiben die wichtigsten Stationen der Erzählung aus der Sicht der Protagonistin und vor allem deren Erleben. Leser können sich daher leicht mit Zoe identifizieren. Aus dem Englischen übersetzt hat Uwe-Michael Gutzschhahn, der 2019 den Deutschen Jugendliteraturpreis für die Übersetzung des Jugendbuchs „Ich weiß, heute Nacht werde ich träumen“ erhielt.

Insgesamt bleibt festzuhalten: Marcy Campbell und Corinna Luyken präsentieren eine gelungene Umsetzung zur Arbeit an einem Thema, welches der kindlichen Lebenswelt entstammt. Ob ein junges Publikum Zugang zu den dominierenden, eigenwilligen Illustrationen finden kann, ist wohl individuell abhängig. Sicherlich braucht es eine Weile, um Sehgewohnheiten zu durchbrechen. Doch wer dies schafft, der wird entlohnt mit dem Eintauchen in eine Geschichte, die trotz ihrer auf den ersten Blick vermuteten Reduziertheit immer wieder Neues entdecken lässt und dabei stets die Fantasie des Rezipienten fordert.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Stef; Landesstelle: Sachsen.
Veröffentlicht am 02.01.2020

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