28 Tage lang

Autor*in
Safier, David
ISBN
978-3-499-21174-4
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
413
Verlag
Rowohlt
Gattung
Ort
Reinbek
Jahr
2014
Lesealter
14-15 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
16,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Mira muss mit ihrer Familie in ein einziges Zimmer im Warschauer Ghetto ziehen, der Vater begeht Selbstmord, Mutter und Töchter müssen sich vor der SS verstecken. Mira überlebt als Einzige die Durchsuchungen und schließt sich dem jugendlichen Widerstand an. Sie hat zwei Freunde, einer fühlt sich als Nachfolger des pazifistischen Korczak, der andere will sich nicht wehrlos den Nazis ausliefern. In einer dramatischen Flucht aus dem durch die SS rückeroberten Ghetto kann sie entkommen.

Beurteilungstext

Was unsere behüteten Kinder des 21. Jahrhunderts immer noch bewegen kann, steht im Zentrum dieses dramatischen Romans: Kann man immer der Gewalt entsagen oder sind Situationen vorstellbar, in denen es keinen Ausweg als eben Gewalt gibt? Hinter der Handlung um das 16-jährige Mädchen steht die übergroße Figur des pädagogischen Vorbildes Korczak, dem Freiheit angeboten wurde, der es aber vorzog, mit den Kindern des Heimes, das er auch im Ghetto noch fortführte, zusammen in den Tod zu ziehen. So vorbildlich diese moralische Haltung erscheint, so problematisch ist es, darüber zu urteilen. Für Daniel ist das keine Frage, er nimmt sich eines der Kinder an und bringt es erfolgreich in die Freiheit, selbst allerdings verliert er sein Leben. Amos dagegen ist der Aktive, der immer wieder neue Auswege sucht und findet. Er ist einer der Motoren des bewaffneten Widerstandes gegen die verbrecherische SS, deren einzige Zuverlässigkeit darin bestand, dass die Ghettobewohner ermordet wurden. Deren vielfältigen Versuche, die polnischen Militärs oder auch Zivile zu veranlassen, ihnen zu helfen, schlugen fast alle fehl. Im Gegenteil, es gehörte zu den Ausnahmen, wenn die Polen ihre Juden - die meisten waren polnische Staatsbürger - nicht bei der SS denunzierten. Immerhin gab es einzelne Militärs, die ihnen einige Waffen besorgten. Auch die Alliierten hätten eingreifen können, die Eisenbahnanlagen zu zerstören, damit keine weiteren Transporte in die Vernichtungslager durchgeführt werden könnten - nichts dergleichen.
Mira steht für die jugendlichen Ghettobewohner. Sie will nur ihre Schwester retten und versagt. Die Märchen der fantasievollen 10-Jährigen aber nimmt Mira auf, erzählt sie sich selbst weiter, hält sich damit am Leben und später rettet sie mit den Geschichten das kleine Korczak-Mädchen.
Aber sie steht zwischen den beiden Jungs, zwischen dem sich hilflos dem Terror aussetzenden Daniel und dem sich aggressiv wehrenden Amos. Die Umstände zwingen sie dazu, sich für den Widerstand zu entscheiden - erst später erkennt sie, dass es nicht nur dann ausschließlich Chancen gibt, wenn man sich wehrt, sondern dass dieses Sich-Wehren die einzige Möglichkeit ist, sich seine eigene Würde zu bewahren, vor sich selbst bestehen zu können.
Safier nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es darum geht, die Rolle der Polen im Umgang mit ihrem Ghetto anzuklagen: Unmittelbar neben dem Alltagsleben einer Großstadt findet ein Krieg statt, erst einer, der durch Aushungern, Ausbeutung, später durch Abtransporte in die Vernichtungslager Menschenleben in unglaublich hoher Zahl vernichtet. Später, als die Nazis beginnen, den Aufstand niederzuschlagen, ist der offene Krieg ausgebrochen - und auf der anderen Straßenseite, hinter dem Zaun, besteht der zivile Alltag.
Der Autor verurteilt nicht, er beschreibt auch die Ausnahmen: Ein SS-Offizier, der Mira einmal rettet, begegnet ihr ein zweites Mal, als sie ihn auf ihrer Flucht eigentlich erschießen müsste. Sie schlägt ihn nieder, er bleibt aber am Leben. Auch Polen gibt es natürlich, die helfen. Einer sogar, obwohl er die Juden nicht ausstehen kann - aber er sieht immer noch Menschen in ihnen.
Die Juden sind selbst im Ghetto noch so unterschiedlich wie vor dem Kriege. Es gibt die Muselmanen (die Savier nur so beschreibt, nicht benennt, die apathisch gewordenen Verhungernden) ebenso wie den Mafiaboss, der selbst im Untergang sein Leben so angenehm wie möglich zu organisieren weiß.
Safier hat viele der überlieferten Einzelschicksale in seinen Roman eingebunden, besonders die aus der Biografie Reich-Ranickis. Es ist ein authentischer Ghettoroman entstanden; dass 16-Jährige selbst in diesen Grenzsituationen noch Liebesgeschichten erleben können, gehört zu den Wundern der Menschheit.
Lediglich am Anfang zeigt sich Safier als etwas unbeholfener Zeitdehner, viel zu umständlich meint er Vieles erklären zu müssen, was sich später ohnehin ergibt. Aber die Handlung nimmt zunehmend Tempo auf und damit gewinnt auch die Sprache an Authentizität.
Auf der Auswahlliste des LesePeters. Cjh14.03

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Diese Rezension wurde verfasst von cjh.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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