Die Erde und du

Autor*in
Stickley, Frances
ISBN
978-3-7488-0236-5
Übersetzer*in
Heinrich, Finn- Ole
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Hopgood, Tim
Seitenanzahl
48
Verlag
Dragonfly
Gattung
BilderbuchBuch (gebunden)
Ort
Hamburg
Jahr
2023
Lesealter
8-9 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Büchereididaktisches MaterialFreizeitlektüreKlassenlektüreVorlesen
Preis
15,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Welch wundervolles Buch! Ein Liebesbrief, verfasst von der Erde, gerichtet an all jene, die noch "frisch und jung" sind, doch sicherlich auch an dich und mich. Wie der Klappentext bereits verrät, handelt es sich um eine poetische Botschaft der Hoffnung, die für die Liebe zur Erde und deren Schutz sensibilisieren möchte.

Beurteilungstext

Das farbenfrohe Bilderbuch wurde von Frances Stickley auf Englisch verfasst und von Tim Hopgood mit ausdrucksstarken Bildern gestaltet. Das gesamte Werk zeichnet sich durch eine durchgängige Parallelität von Bild und Text aus, die zu einer gesteigerten ästhetischen Intensität führt.
Der Titel "Die Erde und Du" präsentiert eine Synthese der zwei zentralen Protagonist*innen, wobei der Autor durch eine geschickte Verwendung von Farbsymbolik eine spezifische Verbindung zur kindlichen Lebenswelt herstellt. Konkret wird hier auf die Sinnbildhaftigkeit der Ampelfarben Bezug genommen. Auf gelbem Hintergrund hebt sich "Die Erde" in grünen Lettern ab, während das "und Du" in auffälligem Rot präsentiert wird. Diese chromatische Gestaltung impliziert eine symbiotische Beziehung zwischen der Leser*in und dem Planeten Erde, wobei Grün typischerweise mit Naturverbundenheit und Umwelt assoziiert wird, während Rot als Signalfarbe die Bedeutung der Aufmerksamkeit und Gefahr in dieser Beziehung unterstreicht. Somit wird eine Art metaphorische "Verkehrsregelung" für das Verhältnis zwischen Mensch und Umwelt geschaffen, die verdeutlicht, dass es an der Zeit ist, zu handeln und auf die Signale der Umwelt zu achten.
Diese beiden Antipoden durchziehen das gesamte Werk auf latente Weise, die immer wieder durch konkrete, an die Leser*in gerichtete Fragen die Kontrastierung der beiden Verhaltensweisen verdeutlichen: "Ich passe auf dich auf. Und du auch auf mich?"
Poetisch gerahmt durch Alliterationen, Parataxen und Reime entfaltet die Erde im Stilmittel der Personifizierung ihre mütterlichen Gefühle für die kindliche Leser*in. Die Idee der Erde als einer mütterlichen Kraft, die für das Wachstum, die Fruchtbarkeit und das Wohlergehen aller Lebewesen sorgt, ist tief in der menschlichen Geschichte verwurzelt und wird in verschiedenen Kontexten und Überlieferungen, indigenen Kulturen sowie in verschiedenen religiösen und spirituellen Traditionen weitergegeben. Greifbar wird sie im Begriff der "Mutter Erde", der sich auf die Vorstellung bezieht, dass die Erde als weibliche Entität betrachtet wird, die Leben gebärt und ernährt, ähnlich wie eine Mutter ihre Kinder.
Diese Mutter ist bereit, alles für ihre Kinder zu geben: "Ich schenke dir alles. [...] Ich schenke dir mich." Liebevoll gibt sich diese empfindsame und zugleich verletzliche Mutter immer wieder hin, weil sie gar nicht anders kann, als so zu sein, wie sie ist, nämlich sich "ganz und gar mit dir zu teilen".
In farbenfrohen Illustrationen, die sich meist großflächig über die Doppelseiten des Buches erstrecken, führen Frances Stickley und Tim Hopgood der Leser*in auf eindrucksvolle Weise Szenen einer vielfältigen und einzigartigen Flora und Fauna vor Augen, aber auch faszinierende Naturphänomene wie Vulkane und Meere sowie die geheimnisvollen Erscheinungsformen des Wassers.
Von einer Buchseite auf die andere jedoch wandelt sich das freundliche Gesicht der Mutter Erde in Trauer, Angst und Bedrückung. Dunkle Farben und bedrohliche Szenen der Zerstörung kennzeichnen ihren Zustand und kreieren eine düstere Atmosphäre. Wie ein schriller Hilfeschrei ertönt es auf den Buchseiten "Versuch zu helfen", "Misch dich ein", "Es kommt auf dich an". Das ist eine explizite Aufforderung zum Handeln, die sich an die Leser*in richtet und sowohl im Buch selbst als auch auf dem Cover sein grafisches Pendant in einem Kind findet, das demonstrativ ein Plakat mit Blume in der Hand hält.
Aber schon die darauffolgende Seite setzt der Zerstörung mit den Worten "Ich bin hier für dich" ein fast beschwörendes Vertrauen entgegen. In diesem Vertrauen adressiert sich die Erde immer wieder in repetitiven Fragen an das Bewusstsein der Lesers*in und stellt dessen Verhalten damit auf den Prüfstand.
Der ergreifende Liebesbrief der Erde endet positiv mit einem freundlich lächelnden Gesicht in naturverbundenen blau-grünen Tönen und den liebevollen Worten "Hier ist meine Hand. In Liebe, deine Erde".
Dieses sehr empfindsame Bilderbuch vermag Kinder durchaus für die genuine Verantwortung gegenüber dem anvertrauten kostbaren Schatz der Natur zu sensibilisieren und legt seinen Fokus bewusst auf eine empathisch positive Beziehung. Szenen eines zerstörerischen Umgangs werden quantitativ nur sehr geringfügig thematisiert und durch konkrete Handlungsoptionen der Intervention gerahmt. Inwieweit Kinder jedoch eigenständig Demonstrationen organisieren oder daran teilnehmen können, sei dahingestellt.
Sehr anschlussfähig gestaltet sich hingegen die inspirierende Idee der Personifizierung der Natur in der thematischen Auseinandersetzung mit Kindern. Dabei kann von ganz konkreten Naturerscheinungen in der kindlichen Lebenswelt ausgegangen werden, um zu diesen, zum Beispiel durch das Schreiben von Briefen oder adäquaten fürsorglichen Pflegemaßnahmen, eine von Zuwendung geprägte persönliche Beziehung aufzubauen. Und vielleicht vermögen es diese kleinen, aber mitunter wirkungsvollen Schritte, einen profunden Perspektivenwechsels von der Natur als leblose Materie hin zu einer lebendigen und pulsierenden Lebenswelt anbahnen.
Der Umgang mit dem Buch in der frühen Kindheit, im Primarbereich oder auch im familiären Umfeld bietet zahlreiche Möglichkeiten der Interpretation und Interaktion. Es ermutigt zu spielerischen Naturerfahrungen im Rahmen einer Wildnisbildung, regt jedoch auch dazu an, die Natur bewusst zu gestalten, beispielsweise durch das Säen von Samen oder die Pflege von Pflanzen. Neben literarischen Diskussionen legt die Förderung einer einfühlsamen Beziehung nahe, Texte durch das Schreiben von Briefen an bestimmte natürliche Vertreter*innen zu adressieren.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Siglinde Spuller; Landesstelle: Sachsen-Anhalt.
Veröffentlicht am 20.03.2024

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